Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
Vom Netzwerk:
Brasilien gefahren. Dort haben sie einen kleinen Glasbläserbetrieb aufgemacht und damit begonnen, Glaskugeln für Weihnachtsbäume zu blasen. Und weil immer mehr Einwanderer – vor allem aus Nordeuropa – nach Brasilien kamen, die die Tradition der Weihnachtsbäume kannten und den glitzernden Kristallschmuck kauften, wurde aus dem kleinen Betrieb bald eine große Fabrik, und aus einer Fabrik wurden zwei, dann drei und mehr, und die betreiben meine Angehörigen noch heute.«
    »Aber dann bist du doch ein sehr wohlhabender Mann, James.«
    »Ich habe mir mein Erbe auszahlen lassen und meine gesamte medizinische Ausbildung davon bezahlt. Ich musste nie den Penny umdrehen, um über die Runden zu kommen, ich konnte in der ganzen Welt studieren, aber ich habe immer gewusst, wo meine Aufgaben liegen, nämlich bei den Ärmsten der Armen, bei den Ausgebeuteten, Gejagten und Vertriebenen im Regenwald.«
    »Und jetzt willst du zu ihnen.«
    »Ja, endlich.«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Das ist auch nicht nötig. Hauptsache ist doch, dass ich meinen Weg kenne.«
    »Ich habe Angst vor Schlangen, James.«
    »Man muss halt Stiefel tragen.«
    Isabelle sah auf ihre modischen roséfarbenen Pumps hinunter und nahm einen davon in die Hand. »Stiefel!«, flüsterte sie und streifte den Schuh wieder über ihren Fuß. »Was für Tiere gibt es denn da noch?«
    »Alligatoren, Spinnen, giftige Fische, alles mögliche. Aber die Jurunas-Indianer jagen sie und leben von ihnen und mit ihnen.«
    »Und mitten dahinein willst du gehen?«
    »Warum nicht? Ich bin Arzt, ich habe mich darauf gründlichst vorbereitet und weiß, was gut oder schlecht für mich ist, und ich bin ja nicht allein dort. Wir werden immer zu mehreren in solche Gebiete geschickt. Und dann verarzten wir nicht nur die Eingeborenen, sondern wir belehren sie auch. Und wenn wir verheiratet sind, kommen unsere Frauen mit, und die helfen den Frauen dort und unterrichten die Kinder. So ein Lager ist eine feine Sache, und du glaubst gar nicht, wie viel wir von den Indianern lernen können.«
    »Aber James, das hört sich doch nach tiefstem Mittelalter an. So etwas gibt es doch heute gar nicht mehr. Ich habe mal was von einem Albert Schweitzer in Afrika gelesen, der war auch Arzt, das ist beinahe hundert Jahre her.«
    »Er ist für viele Ärzte ein Vorbild, für mich auch.«
    Isabelle stand auf, lehnte sich an das Geländer und sah hinüber zum St. Mary's Loch. »Wie kommt man denn dahin?«
    »Mit dem Flugzeug natürlich. Erst von Europa nach Recife, dann nach Belem do Para und São Félix do Xingu und dann mit dem Boot in das Siedlungsgebiet am Rio Xingu. Das ist alles sehr gut organisiert.«
    Isabelle setzte sich wieder und nahm einen zweiten Schluck aus ihrem Glas. »Könnte ich vielleicht bis Recife mitfliegen? Dann habe ich einen Ozean zwischen mir und meinem Mann. Dieses Recife ist eine große Stadt?«
    »Dreimal so groß wie Edinburgh.«
    »Na, da könnte ich doch unterkommen.«
    »Dann musst du zuerst Portugiesisch lernen.«
    »Ach, Sprachen sind aber nicht meine große Leidenschaft. Ich bin nicht sehr sprachbegabt.«
    »Mit Englisch kommst du dort nicht weit.«
    »Dann kann ich nicht nach Recife fliegen.«
    »Du kannst natürlich auch in meiner Nähe bleiben. Dann lernst du nach und nach die Sprache, und später kannst du dich dann selbstständig machen.«
    »In deiner Nähe? Bei den Schlangen und Piranhas und Spinnen?«
    »Man gewöhnt sich an alles, Isabelle.«
    »Aber du kannst mich doch gar nicht gebrauchen, ich kann keine Kinder unterrichten, und Stiefel habe ich auch nicht.«
    James lachte laut auf. »Jetzt brauche ich tatsächlich auch einen Whisky. Die Stiefel kann man ersetzen, indem man sich Palmenblätter um die Beine wickelt, und den Kindern kannst du zeigen, wie man sich wäscht, wie man Speisen zubereitet, wie man seine Haare von Ungeziefer befreit und seine Finger- und Fußnägel schneidet. Auch das ist Unterricht.«
    »Haben die denn Scheren?«
    »Nein, aber wir bringen ihnen welche mit.«
    Nachdenklich sah Isabelle vor sich hin. ›James scheint Wert auf meine Begleitung zu legen‹, dachte sie. ›Ein bisschen Wert zwar nur, aber er lehnt es nicht kategorisch ab, sich mit dem Gedanken zu beschäftigen. Vielleicht kann er mich tatsächlich gebrauchen. Fingernägel bei Kindern kann ich bestimmt abschneiden, wie gut, dass ich mein Necessaire im Koffer habe. Und ich habe auch immer Wert auf erstklassiges Material bei den Scheren gelegt.‹
    James beobachtete

Weitere Kostenlose Bücher