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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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sie. Er wusste genau, woran sie dachte, aber er unterbrach ihre Gedanken nicht. ›Soll sie doch auf ihren Ängsten und Unsicherheiten herumdenken‹, überlegte er. ›Wenn sie mitkommen will, dann muss sie das absolut freiwillig tun. Ich will mir später keine Vorwürfe anhören. Aber ich kriege sie mit, davon bin ich überzeugt.‹
    Aber nach einer Weile fragte er dann doch: »Woran denkst du, Isabelle?«
    »Ich habe ein paar gute Nagelscheren im Koffer.«
    »Was?«
    »Na ja, zum Nägelschneiden. Da kommt es sehr auf das Material an.«
    Verblüfft sah James die Frau an. Seine Worte vom Nägelschneiden bei Kindern hatte er schon wieder vergessen. »Welche Nägel willst du schneiden?«
    »Na, die von den Kindern natürlich. Aber Läusekämme müsste ich noch besorgen.«
    James tat sehr ahnungslos. »Hast du Läuse? Warum brauchst du Läusekämme?«
    »Aber du hast doch gerade selbst gesagt, bei den Indianerkindern müsste man Nägel schneiden und Läuse entfernen.«
    »Bei meinen Jurunas-Indianern? Ja freilich, da ist das bitter nötig, aber was hat das mit dir zu tun?«
    »Ja, also ich habe gedacht, wenn ich mit dir nach Recife fliege, dann ist es doch eigentlich nur ein Katzensprung bis in den Regenwald vom Amazonas. Und dann könnte ich doch mal mitkommen und nachsehen, was du da am Rio Xingu so machst. Und wenn ich dann schon mal da bin, kann ich den Kindern doch die Nägel schneiden und die Haare kämmen.«
    »Du meinst, du willst mit mir in den Urwald reisen, zu den Schlangen, den Spinnen und den Geckos?«
    »Na ja, ich könnte mir ja irgendwo noch ein Paar Stiefel kaufen, wenn du meinst, die muss man anziehen.«
    »Du brauchst eine komplette Urwaldausstattung, Isabelle.«
    »Dann komm mit, ich will meinen Koffer auspacken und nachsehen, ob mein Geld für die Reise und die Kleidung ausreicht.«
    Innerlich glücklich, aber äußerlich gelangweilt, stand er auf. »Na schön, lass uns nachsehen, aber sag mir nicht eines Tages, ich hätte dich zu etwas überredet, was du niemals wolltest. Du bist zwar ein tapferes Mädchen, aber auch eine verwöhnte Puppe, vielleicht hängst du mir nur wie ein Klotz am Bein.«
    »Ich war nicht immer eine verwöhnte Puppe, ich weiß durchaus, was es heißt, sich im Leben durchzubeißen.«
    »Na, hoffentlich hast du es inzwischen nicht verlernt. Wenn ich an den Fisch denke, den ich heute Mittag essen wollte und der immer noch mit Kopf, Därmen und Schuppen im Spülbecken liegt, dann habe ich so meine Zweifel, denn am Rio Xingu werden wir in der Hauptsache von Fischen leben.«
    »Ich kann durchaus Fische braten – ohne Kopf, Därme und Schuppen –, aber heute wollte ich es nicht.«
    »Warum denn nicht? Gerade heute, wo ich solchen Hunger habe.«
    »Weil du mich wie ein Dienstmädchen behandelst. Und das passt mir nicht.«
    »Unsinn, ich behandle dich nicht wie ein Dienstmädchen, ich bin nur der Meinung, wir müssen die Arbeit teilen. Und Frauen sind nun einmal für den Haushalt zuständig.«
    »Wie altmodisch. Die Zeiten sind längst vorbei. Ich bin eine ausgezeichnete Laborantin, und trotzdem kann ich Fische braten.«
    »In meiner Heimat ist das noch etwas anders. Ich brauche im Regenwald eine Frau, die mich versorgt und vielleicht, ganz am Rande, auch mal eine Laborantin – das ist übrigens gar kein schlechter Gedanke. Laborantinnen können Ärzte immer gebrauchen. Vielleicht richten wir ein Labor ein, dann könntest du da von großem Nutzen sein. Aber versorgen musst du mich auch«, fügte er etwas kleinlaut hinzu. ›Das wäre ja fabelhaft‹, dachte er, ›wenn ich mit einer Frau und einer Laborantin am Rio Xingu auftauche. Das wäre sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.‹
    Er stand auf. »Komm, lass uns dein Vermögen betrachten. Wenn's reicht, bestelle ich sofort per Handy die Flugtickets.«
    Sie gingen in den Wohnraum, wo Isabelles Koffer neben dem Geschirrschrank stand. James stellte ihn auf den Tisch, und Isabelle holte die Schlüssel aus ihrer Handtasche. Dann entnahm sie dem Koffer einen großen Briefumschlag und reichte ihn James. »Bitte zähle nach, ob es reicht. Ich meine, für das Ticket und die Stiefel und einen Regenwaldanzug.«
    James war verblüfft über das große Paket von Hundertpfundnoten, das er plötzlich in der Hand hielt. »Sage mal, hast du die alle deinem Mann gestohlen?«
    »Aber nein, bist du verrückt geworden? Ich habe gespart. Jahrelang habe ich immer Geld zurückgelegt, wenn ich vom Haushaltsgeld und von meinen Einkäufen etwas übrig

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