Schottische Engel: Roman (German Edition)
behalten habe. Ich weiß, wie es ist, wenn man kein Geld hat, das sollte mir in meinen ganzen Leben nicht wieder passieren. Nur etwas habe ich aus seinem Tresor mitgehen lassen, sagen wir mal, so viel wie ich in diesem Jahr noch hätte ansparen können. Ganz ohne Strafe sollte er nicht davonkommen für all die Prügel, die ich einstecken musste. Das ist doch fair.«
James lachte. »Richtig, Strafe muss sein. Dein Geld reicht auf jeden Fall, da muss ich gar nicht nachrechnen. Also, willst du mitkommen?«
»Ja, bitte, ich möchte wirklich so weit wie möglich fort, und wenn ich bis in deinen Regenwald gehen muss.«
»Es gibt aber noch ein Problem, Isabelle, und das kann man nicht mit Geld lösen.«
»Was denn?«, fragte sie erschrocken.
»Ich kann dort nicht mit einer Freundin am Arm auftauchen. Unsere Ärztegruppe wird von der katholischen Kirche unterstützt, da wird großer Wert auf ein tugendhaftes Leben gelegt.«
»Du meine Güte. Und was bedeutet das?«
»Ich kann im Urwald nur mit einer Ehefrau zusammenleben.«
»Könnten wir nicht so tun als ob?«
»Nein, auf keinen Fall. Wir werden offizielle Papiere vorlegen müssen, bevor man uns in die Wildnis schickt.«
»Dann kann ich nicht mitkommen?«
»Du kannst nur als meine Ehefrau mitkommen.«
»Dann lass uns doch schnell heiraten. Schick noch heute meine Scheidungsklage weg, und dann soll sich dieser Anwalt gefälligst beeilen. Man kann doch auch in Brasilien heiraten, nicht wahr?«
»Natürlich kann man das. Aber meinst du denn, du hältst es mit mir zusammen ein Leben lang aus?«
»Natürlich. Weißt du denn nicht, dass ich dich seit dem ersten Augenblick, an dem ich dich gesehen habe, liebe?«
»Dann ist ja alles in Ordnung, mein Engel.« Und James nahm sie auf den Arm und trug sie in das kleine Schlafzimmer, und vergessen waren der Hunger und der Fisch mit Kopf, Därmen und Schuppen, der im Spülbecken lag.
XIX
Mary Ashton arbeitete vier Tage fast ungestört in der Villa der Södergrens. Morgens fuhr sie allein hin, abends wurde sie von einem Mitarbeiter des Museums abgeholt. Sie untersuchte Möbel, Leuchter, Skulpturen, Reliefs, Holzmosaiken und antikes Spielzeug. Die Abende verbrachte sie in ihrem Labor, wo sie die Holzproben prüfte, die sie den untersuchten Objekten entnommen hatte. Sie durfte inzwischen auch kleinere Gegenstände, die sie im Auto transportieren konnte, mit ins Labor nehmen, um sie dort durch spezielle Röntgengeräte prüfen zu können. Und sie vergaß nicht für einen Augenblick ihren Auftrag, den Titurenius-Engel ins Museum zu befördern, sobald er ihr zur Prüfung übergeben wurde. Das aber war bisher nicht der Fall gewesen.
Bis auf ganz wenige, eher unbedeutende Stücke hatte Christian Södergren wirklich wertvolle Kunstwerke gesammelt, und Mary gratulierte ihm zu der Sachkenntnis, mit der er die meisten Objekte erworben hatte. Da sie inzwischen fast alle Räume des Hauses gesehen hatte, wurde ihre Hoffnung, den Engel wirklich zu Gesicht zu bekommen, immer geringer. Das erklärte sie auch Professor Connor, der sie jeden Abend in ihrem Labor aufsuchte, um sich nach dem Engel zu erkundigen. »Ich habe ihn bisher nicht gesehen«, erklärte sie ihrem Direktor. »Ich kann mir auch kaum noch vorstellen, wo er stehen könnte. Ich habe alle Räume im Haus bis auf die Schlafzimmer und die Bäder gesehen, ich kann mir nicht vorstellen, dass Södergren eine Holzskulptur im Badezimmer aufstellt.«
»Nein, nicht im Badezimmer, aber vielleicht im Schlafzimmer?«
»Sie wollen, dass ich den Engel in seinem Schlafzimmer suche? Das können Sie nicht von mir verlangen.«
»Nein, natürlich nicht. Aber es wäre doch möglich, dass er die Skulptur, nach der so lange vergeblich gesucht worden ist, in seinem Schlafzimmer aufstellt, seinem intimsten Raum, um den Engel ständig in seiner Nähe zu haben.«
»Möglich wäre das schon. Trotzdem, allein werde ich nicht sein Schlafzimmer betreten, und nach dem Engel zu fragen wäre das Dümmste, was ich tun kann.«
»Das ist richtig. Seien Sie vorsichtig, Mary, in jeder Beziehung.«
»Wie meinen Sie das genau?«
»Nach den Avancen, die er Ihnen gemacht hat, sollten Sie wirklich sein Schlafzimmer meiden, und nach dem Engel zu fragen wäre töricht, da Sie offiziell ja gar nichts von seiner Existenz wissen.«
Als Mary am nächsten Tag in die Villa kam, es hatte sich so eingespielt, dass sie von dem Butler empfangen und auch von ihm in den entsprechenden Raum geführt wurde, in dem Södergren
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