Schottische Engel: Roman (German Edition)
zur Klinik, weiß Bescheid und informiert mich regelmäßig.« James stand auf und holte einen Umschlag aus seiner Tasche. »Hier, ich lese dir vor, was er mir geschrieben hat.« Und dann las er:
›Hallo James, wie geht es Euch? Hier ist der Teufel los. Ich kann Dich nicht länger krankschreiben, Du musst etwas von Dir hören lassen. Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich Deine vorbereitete Kündigung jetzt abschicke. Ebenso fragwürdig ist die Abwesenheit von Isabelle Lloyd. Man hat die offizielle Suche nach ihr eingestellt, ich fürchte, jetzt sind Detektive am Werk, und es ist eine Frage von Tagen, wenn nicht gar von Stunden, bis die sie – und Dich – gefunden haben. Ihr müsst Euch entscheiden. Noch wirst Du nicht gesucht und kannst Schottland ungehindert verlassen, dasselbe gilt für Isabelle, wenn sie sich meldet, ganz offiziell die Scheidung einreicht und die Angelegenheit einem Scheidungsanwalt übergibt. Die Adresse eines guten Anwalts lege ich bei, und als eventueller Zeuge für die Misshandlungen stehe ich zur Verfügung, ich hoffe aber, so weit kommt es gar nicht. Sollte der Professor mit den Gründen für das Scheidungsbegehren konfrontiert werden, wird er auf jeden Fall Einzelheiten vermeiden wollen. Also, soweit meine Auskünfte, meine Meinung und meine Ratschläge. Vor allem aber: Ihr müsst jetzt etwas unternehmen. Herzlichst, Dein Freund Mark Wallance.‹
»So, Isabelle, und jetzt kannst du reden. Was willst du, was hast du vor?«
Erschrocken starrte Isabelle ihn an. »Das bedeutet, jeden Augenblick kann hier ein Detektiv um die Ecke kommen?«
»So ist es.«
»Aber das ist ja schrecklich, was machen wir bloß?«
»Du musst dir genau überlegen, was du willst. Wenn dir Luxus und Reichtum wichtig sind, dann gehst du am besten zu deinem Mann zurück. Mit einem Rechtsbeistand im Rücken wird dir nichts passieren. Er wird froh sein, dass es keinen Skandal gibt, und wird dir verzeihen. Ob er dich eines Tages wieder verprügelt, weiß ich natürlich nicht. Aber es ist vielleicht der Preis, den du für dein Wohlstandsleben zahlen musst.«
»Nein, auf gar keinen Fall. Ich will nie wieder zu ihm zurück. James, wie viel Geld habe ich eigentlich noch?«
»Das weiß ich nicht. Du hast dein Geld in deinem Koffer, und den habe ich nicht angerührt.«
»Dann habe ich eine ganze Menge. Es würde für ein paar bescheidene Wochen oder Monate irgendwo reichen. Aber ...«
»Was aber?«
»Ja, aber was wird aus dir? Du gehst doch bestimmt nicht in die Klinik zurück, wenn dein Freund jetzt die Kündigung abgibt.«
»Er schickt sie hin, ich will nicht, dass er mit meiner Kündigung in Verbindung gebracht wird. Ich gehe nach Brasilien zurück. Das steht schon lange für mich fest. Eigentlich wollte ich im Herbst fort, nun gehe ich eben im Frühjahr, das ist kein großer Unterschied.«
»Und was machst du dort, wohin gehst du? Nach Rio oder nach São Paulo?«
»Ich gehe in die Wildnis, Isabelle. Ich habe meine verschiedenen Ausbildungen gemacht, damit ich im Regenwald den Indianern helfen kann. Ich gehöre einer Ärzteschaft an, die mich dahin schickt, wo ein Arzt am dringendsten gebraucht wird. Wahrscheinlich gehe ich in die Nähe von São Félix do Xingu, das ist eine kleine Stadt am Rio Xingu, und von dort in das Gebiet der Jurunas-Indianer.«
»In die Wildnis? Mein Gott, warum denn das?«
»Weil ich da helfen möchte, wo wirklich ein Arzt gebraucht wird, und nicht in einer Stadt, wo es von guten Ärzten nur so wimmelt.«
»So ein Leben in der Wildnis kann ich mir gar nicht vorstellen, James.«
»Schau dich um, schlimmer ist es dort auch nicht. Vielleicht gibt es ein paar Schlangen, ein paar Riesengeckos und Piranhas und andere ungebetene Gäste und keinen Strom, aber mit ein bisschen Geschick und dem Willen, so ein Leben zu mögen, kommt man überall zurecht.«
Isabelle sah ihn fassungslos an. »Aber du bist ein zivilisierter Mensch, du liebst dein Haus, dein Auto, dein Boot, Maßanzüge und kulturelle Veranstaltungen. Wie kommst du nur auf die Idee, in der Wildnis neu anzufangen?«
James lachte. »Das sind die Gene meiner Vorfahren. Die sind auch als Pioniere nach Brasilien gekommen «
»Erzähle mir von ihnen.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie waren Glasbläser in Italien, und als die Armut im 19. Jahrhundert unerträglich wurde, haben sie sich entschlossen auszuwandern. Sie haben ihre Glasmacherpfeifen und ihr anderes Handwerkszeug eingepackt und sind mit dem letzten Geld nach
Weitere Kostenlose Bücher