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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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dachte an seine Pläne. Er freute sich auf die Reise nach Hamburg. Er kannte die moderne weltoffene Stadt, die noch immer so sehr in ihrer Geschichte verhaftet war. Man stieß auf Schritt und Tritt auf alte Traditionen und hanseatisches Gedankengut, und es war einfach nicht zu übersehen, wie die Menschen an den alten Überlieferungen festhielten. Das begann bei der Backstein-Romantik und endete im Museumshafen. Und selbst auf den modernen Straßen erinnerten jahrhundertealte Bäume an die Liebe der Hanseaten zu ihrer gepflegten, grünen Stadt. ›Wie schrecklich muss es für die Menschen gewesen sein, als die Franzosen ihre geliebten gotischen Hallenkirchen als Pferdeställe benutzten und die stolze Stadt samt Umgebung als französisches Departement in Bonapartes Kaiserreich eingliederten.‹
    David sah auf seine Uhr. Noch eine knappe Stunde bis zum Schloss. ›Hoffentlich hat Hanna für ein vernünftiges Abendessen gesorgt‹, dachte er, schaltete die Leselampe ein und griff nach den Zeitungen auf dem Nebensitz.
    ›Für Politik ist es heute zu spät‹, dachte er und blätterte die Seiten um. Unter der Rubrik ›Aktuelles aus aller Welt‹ fiel ihm ein Foto auf. ›Den kenne ich‹, dachte er, bevor er die Unterschrift las:
    ›Berühmter Arzt auf der Flucht. In seiner Begleitung die Ehefrau von Professor Donald Ll.‹
    ›Donnerwetter, das ist doch Doktor Grantino von Tibbie Shiels Inn, der Mary Ashton in meinem Haus behandelt hat. Was hat der denn verbrochen, dass er nun auf der Flucht ist? Er machte doch einen ganz soliden Eindruck.‹ Interessiert las er den darunter stehenden Artikel und konnte ein Grinsen kaum verbergen, als er erfuhr, dass der Brasilianer mit der Frau seines Chefs durchgebrannt war. ›So ein Filou‹, dachte David, ›und gefunden hat man die beiden bis jetzt nicht.‹
    Und dann dachte er an Mary, an die wenigen gemeinsamen Stunden in ›Lone House‹ und an ihre Zurückhaltung, als er ihr seine Zuneigung gestanden hatte. Einmal hatte er sogar an diesen gut aussehenden Arzt gedacht und eine gewisse Eifersucht empfunden, aber der hatte wohl schon eine hübsche Blondgelockte im Visier gehabt, als er in ›Lone House‹ ein- und ausging. Er las noch einmal den Text. ›Also, erwischt haben sie ihn anscheinend nicht, seine Spur und die der Blondine verlieren sich in London, da ist der Weg zum Flughafen mit weltweiten Abflügen weiß Gott nicht mehr weit.‹
    Und dann dachte er wieder an Mary, die ihn um Geduld und um Zeit gebeten hatte. Aber wie lange sollte er noch warten? Warum waren Frauen so kompliziert? Warum mussten sie immer erst überlegen und abwägen und irgendwelche Aufgaben erledigen? Warum ließen sie nicht ihr Herz sprechen, und warum gehorchten sie nicht ihren Gefühlen, so, wie ein Mann das tat?
    ›Dafür fällt ein Mann aber auch furchtbar auf die Nase, wenn er sich bei der Auswahl einer Frau nicht Zeit genug nimmt.‹ Er dachte an Joan, die er zu lieben geglaubt hatte, die ihn gereizt und mit ihrer Attraktivität gedankenlos gemacht hatte. Wie wild hatte er sich in dieses Abenteuer gestürzt, immer auf der Suche nach Eskapaden, gierig nach körperlicher Befriedigung, nach Entspannung und einer erfüllten Liaison. Und was war daraus geworden? Abneigung, tiefste Enttäuschung, ja beinahe Hass, wenn Tatjana nicht gewesen wäre. Ihretwegen unterdrückte er den Hass gegen die Mutter, ihretwegen hielt er sich zurück, riss sich zusammen, spielte den Gentleman und unterdrückte seine Verzweiflung.
    Und nun, nach so vielen Jahren der Enttäuschung, begegnete er einer Frau, die alles verkörperte, was er sich in der Tiefe seiner Seele immer gewünscht hatte: Offenheit, Ehrlichkeit, Verständnis und unverdorbene Natürlichkeit. Und ausgerechnet diese Frau hielt ihn auf Abstand, zögerte und verstieß ihn in die Ungewissheit. Dabei fühlte er, dass sie ihn mochte, dass er ihr nicht unsympathisch oder gleichgültig war. ›Herrgott, so etwas spürt ein Mann doch‹, dachte er und blätterte weiter in der Zeitung. Und dabei stieß er auf die Überschrift:
    ›Titurenius-Engel entpuppt sich als Fälschung.‹
    Erschrocken und verblüfft las er, dass der seit Jahren gesuchte dritte schottische Engel eine Nachbildung war. Experten des ›Museum of Art History‹ in Edinburgh hatten nach intensiven Untersuchungen mit modernsten Geräten festgestellt, dass der sogenannte dritte Titurenius-Engel, den das Museum seit Jahren zu erwerben versuchte, eine nachgemachte, höchstens zwanzig Jahre alte

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