Schottische Engel: Roman (German Edition)
mit ihm mitfahre? Muss er nicht annehmen, ich bin auch zu anderen Vertraulichkeiten bereit, und bin ich das? Ich kenne ihn doch kaum. Bis jetzt bin ich immer vorsichtig gewesen, ich bin nicht der Typ, der bei der kleinsten Spur von Sympathie mit dem erstbesten Mann ins Bett hüpft.‹
Verkrampft von dem unbequemen Sitz stand sie auf. ›Worauf lasse ich mich da ein? Schön, David ist ein Gentleman hoffe ich wenigstens –, aber hatte sich der Södergren nicht auch gentlemanlike präsentiert, und was ist daraus geworden? Teetörtchen mit Annäherungsversuchen, intime Erklärungen und taktlose Berührungen. Und zum Schluss der schroffe Ärger eines abgeblitzten Mannes. Auf solche Erfahrungen kann ich wirklich verzichten.‹
Mary holte sich ein Glas Wasser aus der Küche und sah auf die Uhr. ›Noch zwei Stunden‹, überlegte sie. ›Noch kann ich alles rückgängig machen, der Koffer ist schnell ausgepackt, und morgen Früh kann ich wieder im Museum stehen, alles wäre einfacher, als so ein unbekanntes Abenteuer zu riskieren.‹
Dann schüttelte sie energisch den Kopf. ›Nein‹, dachte sie, ›ich versuche es einfach. Ich bin clever genug, um mich auf ein Abenteuer einzulassen. Ich bin keinem Menschen Rechenschaft schuldig, und wenn mir irgendetwas nicht passt, kaufe ich ein Flugticket und fliege zurück, daran kann und wird mich niemand hindern. Und vielleicht entpuppt sich der Lord als Privatmensch ja auch wirklich als ein akzeptabler Begleiter.‹
Mary seufzte. ›Zu dumm, dass ich überhaupt keine Erfahrung mit Männern habe. Aber wo hätte ich diese Erfahrung auch machen sollen? Ich hatte nie Zeit genug für eine ernsthafte Bindung. Manche Menschen lernen sich schon im Kindergarten oder später in der Schule kennen. Viele studieren gemeinsam und bleiben dann zusammen, aber das alles habe ich nicht erlebt. Ich war nie in einem Kindergarten, und die Schulzeit habe ich im Mädcheninternat verbracht. Na schön, manche sind da nachts aus dem Fenster gestiegen und haben sich wer weiß wo amüsiert, aber das habe ich nie gewagt. Und während des Studiums hatte ich kaum Zeit, weil ich nebenbei jobben und nachts büffeln musste, statt auszugehen und Erfahrungen zu sammeln. Erfahrungen mit Männern!‹ Sie kicherte leise vor sich hin. ›Ich war einfach blöd, ich hätte mir mehr Zeit für Vergnügungen gönnen sollen, nun fehlt mir tatsächlich die Erfahrung mit dem anderen Geschlecht.‹ Sie stand auf, um sich noch ein Glas Wasser zu holen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, nicht so viel Wasser, ich habe eine lange Autofahrt vor mir, es wäre doch peinlich, wenn ich unterwegs dauernd austreten müsste«, ermahnte sie sich laut. So brachte sie nur das Glas in die Küche, trocknete es ab und stellte es in den Hängeschrank.
Sie sah sich noch einmal in der Wohnung um. Alles war in Ordnung, und sauber war es auch einigermaßen. So konnte sie ihr kleines Heim beruhigt sich selbst überlassen.
Sie kontrollierte ihre Handtasche, ob sie alle Papiere eingesteckt hatte, ob das Handy geladen war und das Notizbuch mit den wichtigsten Telefonnummern im Seitenfach steckte. Jenes Notizbuch, das ihr die Bekanntschaft mit Christian Södergren eingebracht hatte.
›Ich könnte Thomas noch anrufen‹, dachte sie. ›Er wird mich vielleicht vermissen, wenn er mich zu erreichen versucht.‹ Sie ging zum Telefon und wählte seine Handynummer. ›Um diese Zeit ist er sicher mit den Herden unterwegs‹, überlegte sie. ›Es ist noch immer Lämmerzeit, und er wird alle Hände voll zu tun haben.‹ Aber nach dem zweiten Läuten meldete sich ihr Bruder.
»Tom Ashton«, klang es kurz und bündig, wie es seine Art war, aus dem Hörer.
»Hallo, Tom, hier ist Mary. Wie geht es dir?«
»Bestens, jede Menge Arbeit, jede Menge Lämmer und jede Menge Müdigkeit. Die Biester lieben es, nachts zu gebären, schlimm, sag ich dir.«
»Sie wollen eben ihre Ruhe haben.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Ich bin eine Expertin in der Lämmergeburtshilfe«
»Du???«
Sie erzählte ihm kurz von ihrem Erlebnis auf der Schafweide am ›Lone House‹ und weckte damit seine Neugier. Jetzt ließ er sich nicht durch belanglose Worte abspeisen, sondern wollte alles ganz genau wissen. Und so berichtete sie ihm von der Fahrt nach Dumfries, von den schottischen Engeln, dem Lord und von dem Schloss am St. Mary's Loch.
»Mädchen, dich kann man wirklich nicht allein lassen.«
»Doch, Tom, ich bin ganz gut mit der Situation fertig geworden. Und nun
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