Schottische Engel: Roman (German Edition)
das wusste sie.
Mary stand auf und schaute aus dem Fenster. Sie hatte einen wunderschönen Blick über den großen See und freute sich über den Sonnenschein, der einen warmen Frühlingstag versprach. Sie duschte, kleidete sich an und fuhr mit dem Lift in den Frühstücksraum, wie sie es verabredet hatten. David war noch nicht da, so ließ sie sich einen Tisch zuweisen und bestellte ein Kännchen Kaffee. »Mit dem Frühstück warte ich auf Mister McClay«, erklärte sie dem Ober und ließ sich die Morgenausgabe der Times bringen. Lange musste sie nicht warten. David kam lächelnd an den Tisch, legte ein paar Schriftstücke und einen Stadtplan auf einen leeren Stuhl und erklärte gut gelaunt: »Ich habe schon die erste Konferenz hinter mir.«
Ungläubig sah Mary ihn an. »Jetzt schon?«
»Na ja«, lachte er, »eine klitzekleine Konferenz. Wir waren nur zu dritt, Clark Brown, mein Sekretär, der hier in Hamburg alles arrangieren muss, und Edwin Kennarth, der Übersetzer, von dem ich die ersten Unterlagen brauche.«
»Und wie sieht das Arrangement von Mister Brown aus?«
»Kennarth muss weiter übersetzen, damit ich so schnell wie möglich einen Eindruck von dem Roman bekomme. Brown hat veranlasst, dass Kennarth hier ein Büro mit PC-Einrichtung und eine Schreibkraft bekommt. Dann kann er diktieren und muss nicht persönlich den Computer bedienen. Und Brown wird uns begleiten. Wir erkunden zunächst die wichtigsten Straßen, Plätze und Häuser, die in dem Buch eine Rolle spielen. Ich muss mir ein Bild machen können, und ich muss sehen, wie ich von der Gegenwart in die Vergangenheit zurückschalten kann.«
»Das muss doch sehr schwer sein.« Nachdenklich sah Mary den Mann an ihrer Seite an.
»Ich bin es gewohnt, so zu denken. Allerdings wird es schwieriger sein, in einer modernen, belebten Stadt hundertfünfzig Jahre zurückzuschalten als auf dem Land, wo alte Ruinen und Gehöfte bereits ein Bild in die Vergangenheit gestatten.«
»Ich stelle mir deine Arbeit hier sehr kompliziert vor.«
»Das ist sie und außerdem teuer. Das alte Leben zu erwecken, ist eine sehr kostspielige Angelegenheit. Deshalb drücken sich auch die meisten Produzenten vor historischen Geschichten.«
»Aber dich reizen sie.«
»Ja, ich kann mir keine interessantere Arbeit vorstellen. Und wenn sie gelingt, haben sich die Ausgaben allemal gelohnt.«
»Wenn sie gelingt!«
David lachte. »Dafür habe ich dich mitgenommen.«
Sie beendeten das Frühstück. »Wann können wir starten?«
Mary nickte, allmählich bekam sie einen Eindruck von der konsequenten Methode, mit der David die Arbeit anpackte. »Ich bin fertig. Ich hole nur meinen Mantel und meine Tasche.«
»Ich begleite dich.«
Verblüfft sah sie ihn an, sagte aber nichts. Hatte er Angst, dass sie zu lange brauchte, um ihre Sachen zu holen? Sie fuhren mit dem Lift in die oberste Etage, wo sich die beiden Suiten befanden. David begleitete sie in ihre Zimmer und half ihr in den Mantel.
»Komm noch einmal mit zu mir.«
Mary nahm ihre Handtasche und folgte ihm. Erstaunt stellte sie fest, dass auf einem Tisch eine Flasche Champagner und zwei Gläser auf sie warteten.
»Bitte, David«, wehrte sie ab, »nicht so früh schon Alkohol. Ich will arbeiten, da brauche ich einen klaren Kopf.«
Aber David lachte nur. »Ich auch. Aber ich muss mit dir auf ein gutes Gelingen anstoßen, und das muss sein, bevor wir mit der Arbeit beginnen.« Er füllte die beiden Gläser. »Komm, Mary, einen guten Schluck auf eine gute Arbeit, und dann geht's los.«
Sie stießen an, und David schaute ihr tief in die Augen. »Auf uns, Mary, auf unsere gemeinsame Arbeit und auf eine wunderbare Zeit miteinander.«
Und so schnell wie sie aufgetaucht war, war die Sehnsucht in seinen Augen wieder verschwunden, und der romantische Augenblick geträumter Gefühle war vorbei. Sie stellten die Gläser ab, jeder nahm seine Tasche, und sie verließen die Suite. Im Foyer warteten Clark Brown und der Chauffeur.
»Auf geht's«, rief David und stürmte nach draußen, wo der Bentley von einem Wagenboy frisch gewaschen und aufgetankt vorgefahren wurde.
Brown übernahm die Führung. »Wir fahren zuerst in die alte Speicherstadt. Dort in den Gewürzspeichern wird ein großer Teil der Handlung ablaufen. Danach besichtigen wir einige Kontorhäuser, die spielen in dieser Hafen- und Handelsstadt seit Jahrhunderten eine große Rolle. Danach fahren wir die Elbchaussee entlang, dort gibt es einige Villen in großen Parkanlagen,
Weitere Kostenlose Bücher