Schottlands Wächter (German Edition)
die Blicke der drei Frauen in ihrem Rücken. Sie ging noch schneller. Bald rannte sie. Erst als sie mehrere Waggons durchquert hatte blieb sie stehen, lehnte das Gesicht gegen eine Fensterscheibe und atmete tief durch. Wo ist Morag? Ich will meinen Dad wiederhaben!
Als hätte sich Bryanna nicht vom Fleck bewegt, stand die älteste der drei Frauen neben ihr. Sie nahm Bryannas Hand und zog sie in ein Abteil, wo die anderen beiden Frauen saßen. Bryanna schrie entsetzt auf und versuchte, sich loszureißen. Vergeblich. Mit ungeahnter Kraft drückte die Alte sie auf einen Sitz und setzte sich neben sie. Bryanna gab auf, denn es gab anscheinend kein Entkommen für sie.
„Keine Angst, mein Kind. Dir wird nichts geschehen. Wir sind hier, um dir zu helfen.” Die Alte tätschelte Bryannas Wange, was diese widerstandslos geschehen ließ. Sie war zu erschöpft, um sich zu wehren. Sie wunderte sich nicht einmal, dass die Frauen, die sie drei Waggons hinter sich wähnte, hier auf sie zu warten schienen. Das ist ein Albtraum und ich bin verrückt .
Die Alte beugte sich vor und tätschelte Bryannas Knie. „Mach dir keine Sorgen. Die Welt ist nie so, wie du sie gern hättest.”
Der saure Atem der alten Frau traf Bryanna mitten ins Gesicht, und aus ihrem schwarzen Kleid stieg der Geruch von Kohlsuppe auf. Ich hätte nie gedacht, dass Halluzinationen so echt wirken . Sie atmete so flach wie möglich, um den Ausdünstungen zu entgehen.
Die Alte schien es nicht zu bemerkten. „Es gibt Kreaturen in deiner Welt, die du noch nie gesehen hast. Viele sind schlimmer als die Goblins, die du gerade getroffen hast.”
Bryannas Augenbrauen schossen in die Höhe. Woher weiß sie, was ich mir eingebildet habe? Na klar , antwortete sie sich selbst. Halluzinationen kommen aus meinem eigenen Unterbewusstsein. Die drei müssen alles über mich wissen.
Die mütterlich wirkende Frau sagte: „Morag ist nicht die Schlechteste. Eigentlich ist sie sogar ganz in Ordnung.”
Die Alte kicherte. Es klang wie das Meckern einer Ziege. „Habe ich das behauptet, Liebes? Ich habe nur gesagt, dass sie diesem hübschen, jungen Ding Ärger bringen wird … eine Menge Ärger. Und ich muss das ja wohl wissen.”
Die jüngste der Drei mischte sich ein.
„Hör nicht auf Oma, Süße. Sie hat längst vergessen, wie es ist, jung zu sein. Sie ist älter als alt.” Fasziniert starrte Bryanna auf ihr Zungenpiercing.
Die Großmutter wirkte verletzt. „Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen schmeißen.”
„OK, ich bin auch alt, aber wenigstens habe ich nicht vergessen, wie man sich als junger Mensch fühlt.”
Bryanna runzelte die Stirn. Das Mädchen im Punk-Look sah nicht viel älter aus, als sie selbst. Andererseits ist in Halluzinationen alles möglich , dachte Bryanna und wollte den Punk nach ihrem Alter fragen.
Die mütterlich wirkende Frau ließ sie nicht zu Wort kommen. Sie legte einen Finger auf Bryannas Lippen und lächelte sie an. „Oma hat Recht. Morag bedeutet Ärger für dich.”
Für Bryanna klang es so, als würden die drei Frauen Morag ziemlich gut kennen. Vielleicht weiß mein Unterbewusstsein mehr über Morag , dachte sie . Dann haben mir die Drei vielleicht wirklich etwas Wichtiges zu sagen. Ich sollte besser mitspielen. Vielleicht kann ich mich so selbst austricksen . Sie holte tief Luft und sah die mütterliche Frau an.
„Kennen Sie Morag gut? Sie hat meinen Dad entführt. Wenn ich wüsste, wo sie hin will, könnte ich die Polizei informieren.”
„Wir kennen sie in allen Welten”, sagte die Mutter.
Die Tochter unterbrach sie. ”Wo sie hingeht, kann ihr die Polizei nicht folgen, Süße.”
Bryanna hatte die Nase voll. „Und wo wäre das? Auf dem Mond?”
Die mütterliche Frau schüttelte den Kopf und sah die Alte an. „Hat er ihr denn gar nichts beigebracht?”
„Sieht nicht so aus, was?” Die Alte grinste und entblößte dabei riesige, schiefe, gelbe Zähne. Unwillkürlich fiel Bryanna die Beschreibung der Frau Holle im Originalmärchen der Brüder Grimm ein, die wunderbar auf die Alte passte.
Die junge Frau warf ein: „Wahrscheinlich ist ihr gar nicht klar, dass es mehrere Welten gibt.”
Die Alte kratzte sich am Kopf. „Wenn es ihr klar wäre, wäre sie nicht so einsam.”
Bryanna hatte genug gehört. „Ich bin nicht einsam. Sagt mir nur, wo Morag hin ist.”
„Du vergeudest deine Fragen, Bryanna.” Die mütterliche Frau wirkte besorgt. „Morag wandert durch die Welten. Folge ihr, und du findest
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