Schottlands Wächter (German Edition)
„Das ist wunderbar. Kann das Auto noch schneller?”
Bryanna lächelte und sah wieder aus dem Fenster. Bald hörte sie Kaylees Fragen und die Antworten des Fahrers nicht mehr. Sie beobachtete die vorbeiziehenden Häuser und die Natur. Sie bedauerte nur, dass sie nun doch nicht an Pitlochry vorbeifuhren. Dort war sie vor längerer Zeit mit ihrem Vater bei den Lachstreppen gewesen. Sie hatten die Reihe von miteinander verbundenen Betonbecken bewundert, die in einer engen Schleife um den Staudamm herum führten. Durch ein Fenster in einem der Becken hatten sie sogar einige Lachse beobachtet, die sich durch Röhren gegen die Strömung den Fluss hinauf in den Stausee kämpften. Es war ein Tag gewesen, an den sie sich gerne erinnerte.
Doch auch die Landschaft, durch die sie jetzt fuhren, war schön. Die abgerundeten Berge waren abwechselnd mit Wäldern, Heideflächen und endlose Grasflächen bewachsen, nur unterbrochen von dem einen oder anderen Dörfchen.
Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichten sie Braemar. Der Fahrer hielt mitten im Ort. „Das war eine wirklich nette Fahrt”, sagte er.
Kaylee nickte. „Schade, dass sie schon zu Ende ist.”
Nachdem sich Kaylee und Bryanna bedankt hatten, stiegen sie aus. Der Fahrer kurbelte das Fenster auf der Beifahrerseite herunter und beugte sich zu ihnen herüber.
„Von hier fahren die Busse. Am besten fragt ihr in der Touristen Information. Die kennen die Zeiten.” Er kurbelte das Fenster wieder zu und fuhr davon.
Kaylee winkte dem Auto nach, bis sie es nicht mehr sehen konnte. „Können wir noch ein Auto anhalten?”
Bryanna schüttelte den Kopf. „Manchmal ist das gefährlich. Wir hatten Glück, dass dieser Fahrer ein netter Kerl war.”
„Ja, er war wirklich sehr nett.” Kaylee sah zu den Bergen im Norden. „Guck mal, die Cairngorms. Was hältst du davon, wenn wir einen Abstecher zu mir machen? Wenn wir über den Lairig Ghru-Pass gehen stoßen wir auf die Thieves Road und die führt praktisch direkt an meinem Haus vorbei.”
„Straße der Diebe … das klingt nicht grade vertrauenerweckend”, sagte Bryanna zögernd.
„Der Name ist uralt. Früher wurden dort gestohlene Kühe entlang getrieben. Wirst sehen, heute ist es ganz friedlich.”
Bryanna sah zum Himmel. Es hatte aufgeklart und die Sonne ließ den Schnee auf den Bergspitzen glitzern. „Ist es weit?”
Kaylee schüttelte den Kopf. „Nein. Morgen Nachmittag können wir schon da sein.”
„Eineinhalb Tage zu Fuß durch die Cairngorms?” Bryanna starrte Kaylee entsetzt an. „Spinnst du? Mit dem Bus sind wir viel schneller.”
„Wir haben durch die Fahrt mit dem Auto gut zwei Tage eingespart und du hast gesagt, dass du es nicht mehr so eilig hast, deinen Vater zu finden.”
„Aber trödeln will ich auch nicht”, sagte Bryanna, ging zur Bushaltestelle und studierte den Fahrplan. „Was für ein Umweg. Wir müssen nach Aberdeen fahren und dort umsteigen. Von da dauert die Fahrt nach Inverness ewig und der nächste Bus kommt auch erst in drei Stunden.”
„Also würden wir zu Fuß auch nicht mehr als einen halben Tag verlieren. Das wäre doch zu vertreten, oder?”, frage Kaylee.
„Es liegt noch Schnee in den Cairngorms.”
„In Alba ist es bereits Frühling. Da sind die Täler frei. Glaub mir, es ist eine schöne Wanderung.”
Bryanna seufzte. „Also gut.” Sie ging in die Touristen Information und kaufte sich eine Wanderkarte. Nachdem sie und Kaylee die beste Route ausgesucht hatten, gingen sie schweigend los.
Nach etwa einer Stunde marschieren auf einer Teerstraße kamen sie an die auf der Karte verzeichnete Victoria Brücke. Ihre zierlichen Steinbögen führten über den Dee auf das Gelände der Mar Lodge. Bryanna und Kaylee folgten dem Weg an den beiden grauen Steingebäuden vorbei und überquerten eine weitere Straße. Vor ihnen lag ein lichter Kiefernwald. Der Weg stieg langsam an, war aber durch den Schutz der Bäume weitestgehend schneefrei. Trotzdem atmete Bryanna erleichtert auf, als er wieder abfiel. Bald schimmerte eine Holzhütte durch die Bäume.
„Laut Karte ist das die Derry Lodge. Wollen wir eine Pause machen? Ich habe Hunger.”
Kaylee nickte und ging zur Tür des Hauses. Sie war verschlossen. „Haben die hier noch nie etwas von Gastfreundschaft gehört?”, grummelte sie und rüttelte an der Klinke. Die Tür öffnete sich nicht.
„Die meisten Menschen schließen ab, wenn niemand daheim ist.” Bryanna zuckte mit den Schultern, setzte sich auf die Stufen
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