Schottlands Wächter (German Edition)
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Sie zwang sich, nicht aufzugeben, selbst als Kaylee zusammenbrach. Bryanna schulterte sie wie einen Rucksack und stapfte weiter. Schon nach wenigen Schritten begann sie zu schwitzen. „Wenn du mich tragen würdest, wäre dir schnell wieder warm”, sagte sie zu Kaylee, bekam aber keine Antwort. Hoffentlich finde ich die Hütte in diesem Sturm überhaupt. Bryanna schauderte es, wenn sie sich vorstellte, dass sie die Nacht im Freien verbringen müssten. Sie war sich sicher, dass Kaylee nicht überleben würde.
Keuchend schleppte sie Kaylee mit sich. Das Gewicht drückte sie fast zu Boden, aber der Wind kam von vorn und war stark genug, dass sie nicht vornüber kippte. Mit jedem Schritt zitterten ihre Knie stärker. Dann trafen sie Windböen aus unterschiedlichen Richtungen, und sie stolperte immer wieder. Wenn sie hinfiel, glaubte sie, dass alles vorbei sei. Doch jedes Mal rappelte sie sich wieder auf und stapfte weiter durch den Matsch. Ihre Beine arbeiteten automatisch. Es war, als wäre sie nicht mehr Herrin über ihren eigenen Körper. Sie hoffte inständig, dass sie die Hütte noch nicht verpasst hatten.
Als ihre Sinne meldeten, dass der Sturm endlich nachließ, dauerte es eine ganze Zeit, bis sie begriff, was das bedeutete. Der Wind nahm ab und der Schnee ging in einen Eisregen über. Sie stoppte an einer Weggabelung. Es war etwas heller geworden und so konnte sie beide Wege ein Stück weit einsehen.
„Kaylee, wo geht es weiter?”
Kaylee antwortete nicht.
Bryanna war sich nicht einmal sicher, ob sie noch atmete. Der Eisregen durchweichte ihre Kleider und tropfte von ihren Haaren. Während Kaylee langsam ihren Rücken hinunter rutschte, überlegte sie verzweifelt, welchen Weg sie nehmen sollte.
Da rissen mit einem Mal die Wolken auf und ließen die Strahlen der untergehenden Sonne hindurch. Helle Sonnenflecken wanderten über die nassen Hänge und der Nieselregen wurde schwächer. Endlich konnte Bryanna die Gegend etwas besser erkennen. Der linke Pfad führte einen steilen, fast ausschließlich mit Gras bewachsenen Steilhang hinauf. Der rechte Pfad führte am Bach entlang weiter nach Nordosten, immer an einer imposanten Bergkette entlang. Den Gipfel des nächsten Berges konnte Bryanna nicht sehen, da er in den niedrig hängenden Wolken verschwand.
Sie wischte sich das Wasser von der Stirn, doch aus ihren Haaren lief sofort neues nach. Wo ist nur diese Hütte? Mit einem Ruck zerrte sie Kaylee auf ihrem Rücken wieder hoch.
In dem Moment huschte ein Sonnenfleck über den linken Hang und beleuchtete einen dunklen Fleck. Als Bryanna genauer hinsah, erkannte sie eine Hütte aus grauen Steinen.
„Ich glaube, wir haben die Corrour Bothy gefunden, Kaylee.” Sie erwartete keine Antwort, denn Kaylee hing wie ein nasser Sack auf ihrem Rücken. Bryanna wankte über eine kleine Brücke, den Berg hinauf auf die Wanderhütte zu. Hoffentlich ist sie nicht auch abgeschlossen .
Hinter der Hütte stieg der Weg zum Gipfel des nächsten Berges steil an. Zum Glück müssen wir da nicht auch noch hoch . Bryanna streckte die Hand nach der Tür aus und versuchte dabei Kaylee nicht rutschen zu lassen. Sie atmete erleichtert auf, als sie sich öffnen ließ.
Bis auf eine offene Feuerstelle und ein wackeliges Holzbett ohne Matratze war die Hütte leer. Nachdem Bryanna die Tür wieder fest zugeschoben hatte, breitete sie ihre Jacke vor dem Kamin aus und legte Kaylee darauf. Vergeblich versuchte sie den Puls zu fühlen. Ihre Hände waren so taub, dass es ihr vorkam, als stünden sie nicht mit ihrem Kopf in Verbindung. Sie beugte sich so weit über die unbewegliche Kaylee, dass sie an ihrem Mund horchen konnte. Schwache Atemzüge streiften ihre Wange. Bryanna atmete erleichtert auf. Jetzt muss ich sie nur noch warm kriegen .
An einer Wand war etwas Holz aufgestapelt. Sie nahm etwas davon, legte es in den Kamin und sah sich nach einem Feuerzeug oder Streichhölzern um, fand aber nichts.
Ich krieg nicht mal ein Feuer an . Bryanna sank neben Kaylee auf den Boden. Tränen der Erschöpfung liefen ihr über die Wangen. Da spürte sie eine Berührung an ihrem Knie. Kaylees Hand war gegen sie gerollt. Zweimal sind wir den Redcaps entkommen und jetzt scheitere ich an einem Feuer. Ich muss es doch auch ohne Streichhölzer anbekommen. Ihr fiel das Wort ein, mit dem Kaylee das Wasser gerufen hatte. Vielleicht ist bei den vielen Namen, die ich gelernt habe, auch das Befehlswort für Feuer dabei. Sie versuchte sich an die
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