Schottlands Wächter (German Edition)
Namen zu erinnern, aber es fiel ihr nur eines ein. Zögernd zeigte sie auf das Holz im Kamin und flüsterte das Wort. Es zischte und knallte wie brennendes Holz. Eine winzige Flamme leckte an einem Holzscheit und verlöschte wieder.
Bryanna nahm alle Kraft zusammen, die sie noch hatte, und rief das Wort so laut sie konnte. Eine Stichflamme schoss in die Höhe und fraß das Holz im Kamin bis auf einen kleinen Rest. Schnell legte Bryanna Holz nach. Als ihr bewusst wurde, dass die Flamme leicht die ganze Hütte hätte abbrennen können, zitterte sie. Diese Namen sind gefährlich. In Zukunft muss ich vorsichtiger sein . Wenigstens brannte das Feuer und vertrieb in kürzester Zeit die Kälte. Bryanna rollte sich neben Kaylee zusammen, und bald schliefen beide Mädchen tief und fest.
Als sie am nächsten Tag aufwachte, schmerzte Bryannas ganzer Körper. Am schlimmsten taten ihre Beine weh. Noch schlimmer aber war ihr Hunger und so kämpfte sie sich in die Höhe. Sie teilte den Rest Brot und Käse und legte Kaylees Anteil zur Seite. Dann nahm sie die magische Tonschale und aß, bis sie sich nicht mehr füllte. Mit dem letzten Happen Brot wischte sie den Rest Suppe auf. Sie ging hinaus, wechselte kurz nach Schottland, füllte die Schale mit Schnee und kehrte nach Alba zurück. Als sie die Hütte wieder betrat, war Kaylee aufgewacht.
„Danke, ohne dich hätte ich es nicht überlebt.” Sie griff nach Brot, Käse und Suppe.
„Wir hätten doch besser mit dem Bus fahren sollen.” Bryanna sah zu, wie der Schnee in ihrer Schale schmolz. Als sie getrunken hatte, fragte sie: „Wie geht es jetzt weiter?”
„Wir gehen über den Lairig Ghru-Pass und auf der anderen Seite runter durch den Wald von Rothiemurchus.”
„Hoffentlich ist das Wetter heute besser, als gestern.”
„Mit einem Sturm in beiden Welten habe ich wirklich nicht gerechnet. Hier oben ändert sich das Wetter immer ziemlich schnell.” Kaylee zitterte. „Wir hätten tot sein können.”
Bryanna wusste nicht, was sie darauf sagen konnte, und so hingen die Mädchen ihren Gedanken nach.
Nach dem Frühstück löschten sie das Feuer und säuberten den Kamin, bevor sie losgingen. Bryannas Beine schmerzten noch immer, aber mit jedem Schritt wurde es besser.
„Mann, hab ich einen Muskelkater”, sagte sie. „Du hättest Dich ruhig etwas leichter machen können.”
Kaylee lachte und schob den Tragriemen von Bryannas Tasche auf ihrer Schulter zurecht. „Du solltest öfter wandern.”
„Weißt du, dass mein Vater mit mir noch nie in den Cairngorms war?”
„Ist doch klar, dass dein Vater dich hier nicht her bringt. Hier ist das Weltengewebe dünner als anderswo und es gibt immer wieder Schwachstellen.” Kaylee ging über die Brücke, über die sie am Abend zuvor gekommen waren, und Bryanna folgte ihr.
„Er hat mich nicht bewusst von hier ferngehalten. Die Cairngorms waren bisher einfach zu anstrengend für uns.”
„Unsinn. Dein Vater wollte nur nicht, dass du dem Ben MacDhui zu nahe kommst. Es ist gefährlich dort zu wandern.”
„Was soll am zweithöchsten Berg Schottlands gefährlicher sein, als am höchsten?”
„Der Ben Nevis ist sicher. Es gibt dort keine Schwachstellen und selbst in Alba lebt dort kaum jemand. Der Ben MacDhui ist anders. Dort drüben”, Kaylee zeigte auf den Berg, der auf der anderen Seite des Tals in den Himmel ragte, „hat das Weltengewebe mehr Löcher als ein Sieb. Nicht einmal dein Vater schafft es, alle zu versiegeln. Meine Mutter hat mich wieder und wieder davor gewarnt hinaufzusteigen. Sie sagte, es sei dort nicht geheuer.”
„Darüber gibt es hin und wieder einen Artikel in schottischen Zeitungen.” Bryannas Stimme klang abfällig. „Es heißt, der graue Mann lauere dort auf Wanderer.”
„Am Fear Liath Mor, der große graue Mann. Ja!”
„Er hat noch nie jemandem etwas getan. Fast alle, die ihn getroffen haben, hatten zwar unglaubliche Angst, aber keiner wurde von ihm verletzt.”
„In Schottland vielleicht nicht”, sagte Kaylee und ging schneller. An der Weggabel bog sie nach Westen ab und folgte einem Trampelpfad, der am Bach entlang durch das Tal führte. „Am Fear Liath Mor ist nicht harmlos. Er ist eines der gefährlichsten und unberechenbarsten Lebewesen Albas. Woher willst du wissen, was er ist? Du kennst nur die wenigen Berichte aus Schottland und selbst da hat dein Vater eingegriffen, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt.”
Bryanna runzelte die Stirn. „Tu nicht so, als wäre ich
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