Schottlands Wächter (German Edition)
dumm und lass meinen Vater aus dem Spiel.” Wut stieg in ihr auf wie eine heiße Flamme.
Kaylee blickte genauso wütend zurück. „Dann rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst. Am Fear Liath Mor ist gefährlich!”
„Ach ja? Du kennst ihn wohl persönlich.” Ein Knoten aus Wut ballte sich in Bryannas Bauch zusammen und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Wortlos rannte sie an Kaylee vorbei. Rechthaberische Ziege . Dabei dachte ich, wir wären Freundinnen. Tränen schossen ihr in die Augen. Halbblind folgte sie einem schmalen Trampelpfad durch die Heide den Berg hinauf. Sie hörte wie Kaylee ihr nachlief und rannte noch schneller. Obwohl das Gelände langsam anstieg, rannte sie weiter. Tausend Beleidigungen jagten durch ihren Kopf. Blind vor Wut und Tränen hetzte sie den Berg hinauf. Erst als das Gelände zu steil wurde, blieb sie stehen und warf sich ins nasse Gras. Ihre Lunge brannte und ihr Herz schmerzte.
Ich bin ja so doof , dachte sie. Das erste Mal im Leben habe ich eine richtige Freundin und kaum ist sie anderer Meinung als ich, streite ich mit ihr. Bryanna weinte und weinte. Sie merkte nicht, dass Nebel aufzog, spürte nicht die Feuchtigkeit, die er mitbrachte. Es dauerte lange, bis ihre Tränen versiegten. Sie setzte sich hin und starrte überrascht ins Nichts, das sie umgab. Sie schniefte noch einmal. Nebel! Das hat mir noch gefehlt. Sie stand auf und tastete sich Schritt für Schritt den Berghang hinunter.
Eine unsichtbare Faust packte ihre Kehle und drückte, bis sie keuchend nach Luft schnappte. Ihr Herz schlug schneller und schneller. Jeder Schlag schmerzte. Sie wollte losrennen, aber ihre Beine versagten. Zwei Schritte neben dem Weg sank sie zu Boden. Angst brachte ihr Blut zum Kochen. Ihr Puls raste, ihr Atem wurde flacher und flacher und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wollte nur noch fliehen, doch ihr Körper ließ sie im Stich. Mühsam kroch sie ein paar Schritte weiter.
Die Panik verstärkte sich noch, als sie einen riesigen grauen Schatten auf sich zukommen sah. Sie fühlte sich wie ein Kaninchen, das einen Bussard über sich sah. Gleich würde ihr Herz vor Angst stehen bleiben. Der graue Schatten kam näher und näher. Bryanna saß wie festgenagelt am Boden und zitterte vor Angst. Drei Schritte vor ihr blieb der Schatten stehen. Nebel schwappte um seine Füße, hüllte ihn so ein, dass es unmöglich war, ihn genau zu sehen. Er schien humanoid mit einem übergroßen Körper, zwei Beinen, zwei Armen und einem Kopf mit zwei leuchtend gelben Augen.
„Ich bringe Euch einen Rat und eine Warnung von Eurem Herrn Vater und eine Erklärung von Eurer Frau Mutter”, sagte er mit einer Stimme, die wie das Heulen des Sturmwinds in den Bergen klang. „Was Ihr davon glauben wollt, ist für mich ohne Belang.” Bryanna spürte, wie die Panik nachließ. Sie hatte zwar immer noch Angst, und sie war sich sicher, dass die Angst vor dem grauen Schatten nicht unbegründet war, aber der Wunsch zu fliehen war verschwunden.
„Sind Sie Am Fear Liath Mor?”
„So nennt man mich.”
„Was wollen Sie von mir?”
„Ich versprach Eurer Mutter, Euch einige Nachrichten zu übermitteln.”
Bryanna schnaufte. Die Angst wurde von einem anderen Gefühl verdrängt: Wut. „Das glaube ich nicht. Meine Mutter hat mich verlassen, als ich noch ein kleines Kind war. Warum sollte sie sich jetzt plötzlich für mich interessieren? Und woher sollte sie Euch kennen?”
„Wie ich schon sagte, es interessiert mich nicht, ob Ihr mir Glauben schenkt oder nicht. Einzig und allein Euer Gehör beanspruche ich für kurze Zeit.” Bryannas Wut verebbte genauso schnell, wie sie gekommen war und die Angst kehrte zurück, als der große graue Mann vom Ben MacDhui sprach.
„Zunächst die Erklärung. Wie Ihr auf Eurer Reise sicherlich bemerkt habt, gibt es mehr als nur eine Welt. Die angrenzenden Welten werden »Ähnlichkeiten« genannt.”
Bryanna nickte.
„Diese »Ähnlichkeiten« sind bis auf wenige Schwachstellen von einander unabhängig. Um die Bewohner der einen Welt davon abzuhalten, in einer anderen Welt Chaos anzurichten, gibt es auf beiden Seiten der Schwachstellen Wächter. Jedes Land in jeder Welt hat seinen eigenen Wächter.”
„Jemanden wie meinen Vater?” Bryannas Herz klopfte. Die Antwort würde ihr verraten, ob Kaylee die Wahrheit gesagt hatte.
„Wie Euer Herr Vater und Eure Frau Mutter.” Bryannas Mund klappte auf, alle Angst war vergessen. Sie starrte den großen grauen Mann
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