Schottlands Wächter (German Edition)
setzte sich erst wieder, als sich Kaylee zurückverwandelte. „Das ist cool”, sagte sie, aber ihre Stimme zitterte.
„Warum erschrickst du so? Du hast mich doch schon zwei Mal als Katze gesehen.”
Bryanna zuckte mit den Schultern. „Ist mir wohl nicht aufgefallen.” Sie drehte sich so, dass sie Kaylee direkt ins Gesicht sehen konnte. „Dir ist klar, dass du die bist, die meinen Vater töten soll, oder? Nur damit du es weißt, ich werde das unter keinen Umständen zulassen!”
Kaylee presste die Lippen aufeinander und starrte zu Boden. Dann sah sie Bryanna an. „Ich gebe zu, dass es mich reizt, Wächter zu werden, aber ich will deinem Vater nichts Böses. Warum gibt es keinen Weg, das Amt zu übernehmen, ohne den Vorgänger zu töten?”
Bryanna rückte näher an Kaylee heran und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Lass uns danach suchen. Ich bin mir sicher, dass es eine Alternative gibt.”
Kaylee nickte. Sie sah Bryanna an. „Freunde?”
„Für immer!” Bryanna hätte am liebsten laut gejubelt. Zwar kannte sie einige Mädchen, mit denen sie gut zurecht kam, aber eine richtige Freundin war etwas ganz Neues. Die können mich mal mit ihren Warnungen.
Kaylee lächelte. „Eine Freundin hatte ich noch nie. Du hast ja gesehen, wie verlassen die Gegend um Loch Pityoulish ist.” Das Grummeln ihres Magens unterbrach sie. Kaylee lachte laut auf und rieb sich den Bauch. „Hab ich Hunger! Komm, lass uns essen gehen.” Sie sprang auf und zog Bryanna hoch. Hand in Hand gingen die beiden zum Frühstück.
Stuart wartete bereits. Er rückte ihnen die Stühle zurecht und sie aßen, bis sie beinahe platzten. Stuart sah Bryanna an und fragte: „Wisst ihr schon, was ihr als nächstes tun werdet?”
Bryanna seufzte. „Ich habe so viele Fragen. Wenn ich nur mit Vater oder Morag sprechen könnte, aber es sieht nicht so aus, als wollen sie sich finden lassen.”
Kaylee sagte: „Kannst du uns erklären, wie der Wachwechsel abläuft, Stuart? Du lebst doch schon so lange.”
Stuart schüttelte den Kopf. „Bryannas Vater ist der einzige Wächter, den ich kennengelernt habe. Allen anderen bin ich aus dem Weg gegangen.”
„Aber du hast uns seine Geschichte erzählt.”
„Ich erzähle oft Geschichten, bei denen ich nicht persönlich anwesend war, Kaylee.” Stuart wendete sich an Bryanna. „Du könntest dein Glück bei den Barden versuchen. Ein Besuch bei Ihnen bringt meist erstaunliche Erkenntnisse mit sich, auch wenn man nicht immer das erfährt, was man wissen will.”
Bryanna legte den Kopf schief und sah Kaylee an. „Einen Versuch ist es wert, oder?”
„Es sei denn Stuart kann uns sagen, wie wir Morag oder deinen Vater finden können.”
„Ich weiß nicht, wo sie sich im Moment aufhalten. Es kann sein, dass es die Cailleach weiß, aber sie ruht, solange Bride unterwegs ist.”
„Gut, dann besuchen wir die Barden. Vielleicht bekomme ich dort endlich ein paar Antworten”, sagte Bryanna.
„Ich kenne eine sehr schöne Wanderstrecke zum Tigh-na-Bardachd, dem Haus der Barden”, sagte Stuart.
„Darf ich mit?”, fragte Kaylee.
Bryanna strahlte. „Klar! Du bist doch meine Freundin.”
Wenig später standen sie warm angezogen und mit ihren Rucksäcken bewaffnet vor dem Haus der Fosters. Es nieselte leicht und Bryanna war froh über die wasserdichte Lammfelljacke, die ihr Kaylee auf dem Bahnhof gegeben hatte. Die Verabschiedung von Frau Foster war mehr als herzlich gewesen und jeder hielt ein dickes Bündel mit Verpflegung in der Hand.
„Na, dann wollen wir mal”, sagte der Seannachaidh und ging voran. Bryanna und Kaylee folgten ihm durch das weite, grüne Tal auf die Berge zu. Für ein paar Stunden stiegen sie die Hänge hinauf durch das nasse, vergilbte Gras des letzten Jahres. Bryannas Gedanken wirbelten durcheinander wie Schneeflocken im Wind. Sie stapfte hinter dem Seannachaidh her, ohne auf die Schönheit der Berge zu achten, deren Gipfel von Schneekappen gekrönt waren. Wenn ich nur wüsste, was ich in Vaters Brief übersehen habe.
„Wie weit ist es eigentlich zum Haus der Barden?”, fragte Kaylee.
Stuart drehte sich für die Antwort nicht um. „Gegen Mittag erreichen wir die Hütte eines Freundes. Danach sehen wir weiter.”
Je höher sie stiegen, desto steiler wurde der Weg, zu dessen Seiten sich grasbewachsene Hänge dem Himmel entgegen schoben. Wenn Bryanna genau hinguckte, überlappten sie sich mit den Wäldern in Alba. Sie genoss diese doppelte Wahrnehmung. Sie lenkte sie
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