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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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und vielleicht war Eddie ja schon sein ganzes Leben lang hier, steckte mittendrin fest, weil er versucht hatte, einen Sinn in Geld und Freundschaft und einer Million anderem zu finden, das niemals hatte sein sollen.
    Jetzt musste er an andere Dinge denken, an andere Dinge, die er tun konnte. Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett und überschlug die Zeit. Hunt hatte vor fast zwei Stunden angerufen. Er würde mit ihm rechnen, auf ihn warten, wütend und allein, und so musste es auch sein. Daran würde Hunt sich gewöhnen müssen. Würde begreifen müssen, dass er nicht zu dem Leben zurückkehren konnte, das er geführt hatte, zu dem, was er sich aufgebaut hatte.
    ***
    Gegen Mittag sah Hunt Eddie von der Hauptzufahrtsstraße abbiegen und auf den Kies fahren. Hunt hatte in dem großen roten Sessel Platz genommen, die Rückseite zur Zimmerecke gedreht, so dass er die Straße sehen konnte. Irgendwann im Laufe des Vormittags, während er Eddie verflucht und ihn auf seinem Handy angerufen hatte, hatte er ein Feuer im Kamin gemacht. Er hatte wieder angefangen zu zittern und gerade eben noch das Feuer in Gang bringen und dann davor knien können, die großen, schlammgrauen Hände vorgestreckt.
    Er sah zu, wie Eddie von der Hauptstraße abbog; der Kies knackte unter seinen Reifen. Eddie fuhr einen großen Lincoln, eines von diesen neuen Modellen, die aussehen sollten wie ein Cadillac. Einen Augenblick lang beobachtete Hunt ihn, dann ging er in die Küche, wo Nora am Spülbecken stand und aus dem Fenster schaute. Sie war für die Hausarbeit angezogen, trug eine verwaschene Lieblingsjeans und ein altes, viel zu großes langärmliges Unterhemd, das locker an ihrer schlanken Figur hing.
    »Kannst du ihm zuwinken, wenn er aussteigt?«, fragte Hunt. Er berührte den Griff der Browning und versuchte, es so aussehen zu lassen, als rücke er bloß seinen Gürtel zurecht. »Ich gehe mal kurz hinten raus.«
    Nora warf ihm einen beklommenen Blick zu, sagte jedoch nichts.
    »Du kannst ihn ja durch die Garage reinlassen, und dann durch die Seitentür.«
    Sie besaßen gut zwei Hektar Land südlich von Seattle, am Rand eines Ortes namens Auburn. Als sie jung gewesen waren, hatten sie Kredite aufgenommen und auf ihrem Grundstück Pferde gehalten, zur Aufzucht und als Pensionspferde. Sonntagabends konnten sie die hellen Lichter der Pferderennen sehen und das Geschrei der Menge hören, wenn die Tiere sich der Ziellinie näherten. Hauptsächlich jedoch waren sie von Kuhweiden und Schrottplätzen voller alter Autoteile, Kühlschränke und Reifenstapel umgeben. Der Fäkaliengeruch von Milchvieh – Matsch und Kuhfladen, immer als Erstes. An den meisten Tagen roch er es gar nicht. Entweder hatte er sich daran gewöhnt, oder der Wind kam von Norden und trug den Geruch nach Süden, auf Tacoma zu. In der Nacht zuvor hatte es ein wenig geregnet, und er konnte den Dunst riechen, der von den Kühen aufstieg, konnte sie im Gras und an den Bäumen riechen; ihr Geruch überzog alles.
    Rasch stieg er die Stufen von der Hintertür hinunter, hatte es eilig, den Rasen zu erreichen, doch dann drehte er sich um; die Feder an der Fliegentür war ihm eingefallen, und das klappende Aluminiumgeräusch, das die Tür machen würde. Von dort aus, wo er stand und die Tür festhielt, konnte er die Autos auf dem Highway neben der Rennbahn vorbeifahren hören, das Plätschern und Gurgeln eines kleines Entwässerungsbaches hinter dem Haus. Der größte Teil ihres Grundstücks war bewaldet, ein halber Hektar jedoch – ums Haus herum, wo sie für die Pferde eine kleine Weide angelegt hatten – war offenes Gelände, so dass er freie Sicht in den Birken- und Kiefernwald hatte, der sein Haus umgab.
    Hunt und Eddie hatten sich vor zwanzig Jahren kennengelernt, als Eddie in die Bar gekommen war, wo Hunt trank. Eddie war auf der Suche nach einem Junkie namens Stone gewesen. Hunt nahm Wetten für die Pferderennen in der Umgebung an, und obgleich er einen ganz guten Schnitt machte, kam seine Trinkerei seinem Profit immer wieder in die Quere, und er war an einen Punkt gelangt, wo er so pleite war, dass es sich anfühlte, als hätten seine Taschen Löcher ohne Boden.
    »Wenn Sie ihn finden«, hatte er geknurrt und das Gefühl gehabt, schon von der Reihe Schnapsgläser vor sich ein bisschen betrunken zu sein, »dann sagen Sie ihm, er schuldet mir zwanzig Dollar.«
    »Mir schuldet er sehr viel mehr«, hatte Eddie erwidert und Hunt am anderen Ende der Bar gemustert. »Sie kriegen einen

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