Schreckensbleich
trat in den Garten hinaus und spürte die nasse Erde unter sich. Pferdegeruch und noch etwas Neues, etwas, das er selbst geschaffen hatte, Rauch und Feuer, fast lehmig. Bei der Weide blieb er stehen und betrachtete die Kadaver der beiden Pferde, die er erschossen hatte. Das erste war am Körper entlang von drei Schüssen getroffen worden, vom ersten in den Hals und von den anderen weiter hinten. Mit dem zweiten hatte er sich Zeit gelassen, ein Schuss im vorderen Bereich des Rumpfes, dann in den Rücken und schließlich in den Kopf. Blutbahnen rannen aus den Wunden auf den Boden.
Das dritte Pferd stand ganz in der Nähe, rührte sich jedoch nicht, als Grady an den Zaun trat und es musterte. Der Regen fiel immer weiter. Ein schwacher Erdgeruch lag in der Luft, Pfützen und Regentropfen. Grady betrachtete das Pferd, der Lichtschein vom Haus her spiegelte sich in den großen Augen des Tieres.
Dann explodierte das Haus, und das Pferd scheute heftig. Grady hob eine Hand, um das Haus anzusehen, als schütze er seine Augen vor starkem Sonnenlicht. Flammen in sämtlichen Fenstern. Er wünschte sich, Hunt könnte es hören, er wollte, dass der andere wusste, dass es kein Zurück gab.
Grady fühlte die kalte Berührung des Regens, der ihn bereits bis auf die Haut durchnässte. Wasserbäche liefen aus seinem Haar und troffen ihm von der Nase, sammelten sich entlang seines Unterkiefers. Das Feuer war leuchtend orangerot, lebendig in dem grauen Regen. Er sah das Pferd dort hinten, das noch immer am gegenüberliegenden Zaun entlangpreschte, um die Ecke bog und fast bis zur Mitte der Weide zurücklief. Dann schaute es zu ihm herüber. »Brauchst keine Angst zu haben«, sagte Grady. Er beobachtete das Pferd. Dann hob er mit beiden Händen das Gewehr und zielte.
***
»Aus welchem Anlass kommen Sie nach Kanada?«
Die Grenzpolizistin blickte in einen schwarzen Lexus, in dem die beiden Vietnamesen saßen. Der Mann auf dem Fahrersitz beugte sich vor; seine Zähne waren zigarettengelb verfärbt. Er sprach mit leichtem Akzent. »Shoppen, uns ein bisschen was ansehen.«
Die Grenzpolizistin schaute vom Gesicht des Mannes auf den Pass, den sie vor sich hielt. Sie gab seinen Namen in den Computer ein. »Wo kommen Sie her?«
»Aus Seattle.«
»Wessen Auto ist das?«
»Meins.«
»Was machen Sie beruflich?«
»Ich bin Klempner.«
»Schicker Wagen für einen Klempner«, bemerkte die Polizistin.
»Sie sollten mal mein Haus sehen«, scherzte der Mann. »Das ist ’ne echte Bruchbude.«
»Können Sie mir Ihr Kennzeichen sagen?« Er sagte es ihr. »Und was ist mit Ihnen, Sir?« Sie beugte sich herab, um den zweiten Mann in Augenschein zu nehmen, der auf dem Beifahrersitz saß. Sie tippte auch seinen Namen in den Computer. »Was machen Sie beruflich?«
»Ich bin sein Boss.«
»Gehört die Klempnerfirma Ihnen?«
»Nein, ich leite sie.
»Sie sind bestimmt gut im Geschäft.«
»Eigentlich nicht«, erwiderte der zweite Mann.
Die Polizistin wandte sich wieder an den Fahrer. »Wie lange werden Sie in Kanada bleiben?«
»Nur heute.«
»Haben Sie Schusswaffen oder Drogen im Wagen?«
»Nein.«
»Irgendwas, das Sie in Kanada zurücklassen werden?«
»Nein.«
»Gute Reise, Jungs.«
Der Lexus fuhr an.
***
Eddie ließ den Fernseher mit weit aufgedrehter Lautstärke laufen und sämtliche Lampen in seinem Zimmer brennen. Draußen konnte er die Kälte spüren, die mit dem Regen gekommen war, und das trübe Grau des herannahenden Tages. Zur Rechten sah er Noras Motelfenster; das Rollo war heruntergezogen, doch das Licht war an, und er ging davon aus, dass sie noch dort war. Er ging zu seinem Wagen und achtete sorgsam darauf, die Tür leise hinter sich zu schließen. Dann wühlte er sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer. Auf dem ganzen Autodach konnte er den Regen fallen hören. Er sah ihn auf der Windschutzscheibe, und er dachte, dass Nora bestimmt nicht erkennen könnte, dass er hier drin saß, selbst wenn sie aus dem Fenster schaute.
Nachdem die Sekretärin ihn durchgestellt hatte, meldete sich der Anwalt. »Das soll wohl ein Witz sein.«
»Das ist ganz und gar kein Witz«, entgegnete Eddie.
»Ich dachte, ich hätte Ihnen das Ganze genau erklärt.«
»Haben Sie auch.«
»Und wieso wusste Ihr Mann dann Bescheid?«
»Ich habe ihm kein Wort verraten. Ich habe ihm nur gesagt, wo er wann sein soll. Mehr habe ich nicht gesagt.«
»Lügen Sie mich nicht an, Eddie.«
»Ich lüge nicht.«
»Das Ganze ist Ihnen eindeutig
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