Schreckensbleich
er damit richtiglag. Als er eine kleine Stadt erreichte, die sich am Fluss entlangzog, genau wie die, die er gerade verlassen hatte, fuhr er langsamer. Alles war mit Blick auf den Fluss gebaut, und auf alles, was dieser mit sich führte. Wieder versuchte er es mit dem Handy und konnte kein Netz finden. Er fuhr über die einzige Brücke und parkte vor einem geschlossenen Restaurant.
Er stieg aus und ging mit dem Telefon in der Hand auf den Fluss zu. Dabei hielt er Ausschau nach einem Netzsignal. Nichts. Als er den Fluss erreichte, ging er auf die Brücke hinaus. Nichts rührte sich irgendwo, nur das Wasser unter ihm. Dunkles Wasser, das schnell dahinströmte. Er blickte zu dem Truck zurück. Das Restaurant dahinter war aus weißgestrichenen Ziegelsteinen, und ihm gegenüber, auf der anderen Straßenseite, war ein Laden mit einer Bank und ein paar Bier-Leuchtreklamen. Mit der Fußspitze stieß Hunt einen losen Kiesel in den Fluss. Er sah das Aufspritzen, und wie die Strömung es erfasste und die Kräuselwellen sich ausbreiteten, während das Wasser weiterfloss.
Von der Mitte der Brücke aus konnte er den ganzen Ort sehen; kein besonderer Anblick, eine Tankstelle an der Hauptstraße und ein kleiner, geschlossener Gemüsestand. Etwas weiter flussabwärts standen noch ein paar Häuser. Er sah das Handy an und wartete. Schaltete es aus und wieder ein. Ein kleiner Signalstrich zeigte sich, und er versuchte abermals, Nora zu erreichen. Er hörte ihre Mailbox-Ansage, erwog, eine Nachricht zu hinterlassen, tat es aber nicht.
»Scheiße!«
Er ging zu dem Truck zurück, legte die Arme auf die Kühlerhaube und streckte sich, ließ den Kopf zwischen den Armen herabhängen und atmete tief die Nachtluft ein. Wieder schaute er auf das Handy; er sah nach der Uhrzeit, ging dann wieder zur Brücke und rief die Auskunft an. Kurz darauf wurde er zum Krankenhaus durchgestellt.
»Bei Ihnen ist heute eine Vietnamesin mit einer Überdosis eingeliefert worden.«
»Sind Sie ein Angehöriger?«
»Der einzige, den sie hat.«
»Möchten Sie mir sagen, wer Sie sind?«
»Ich möchte, dass Sie mir etwas über dieses Mädchen sagen.«
»Ich kann Ihnen nichts über das Mädchen sagen.«
»Warum nicht?«
Schweigen. »Wer spricht da?«
»Lebt sie noch? Das können Sie mir doch wohl sagen, oder?«
»Ich kann Ihnen gar nichts sagen, solange Sie mir nicht sagen, wer Sie sind.«
Hunt hörte etwas in der Leitung. Jemand anderes, der im Krankenhaus mithörte, dachte er. Er brach die Verbindung ab.
***
Eddie Vasquez war seit fast zwölf Stunden tot, als Driscoll vor dem Motel hielt. Erst um acht Uhr morgens hatte ihn jemand gefunden, wie er da am Tisch saß, den Vorhang aus Blut um sich gezogen. Der zuständige Sheriff war gerufen worden, der Rettungsdienst des County, ein Trupp von der freiwilligen Feuerwehr, die auf die eine oder andere Weise als Deputys dienten, und Driscoll.
Drake ging zu dem Fast-Food-Restaurant hinüber und blickte zum Tatort zurück. Er konnte den Rettungswagen sehen, neongrün mit blauen Flecken hier und da. Er sah den Streifenwagen des Sheriffs und ein paar schwere Trucks, die wohl nicht dort gewesen waren, bevor der Mann aus Zimmer 5 herausgekommen und die Motelangestellte zwischen seinem Auto und dem Truck daneben gefunden hatte. Die Schleifspuren im Schotter waren immer noch da. Driscoll hatte ganz in der Nähe des Büros ein paar blutbeschmierte kleine Steinchen aufgelesen; er hielt sie in der Hand und begutachtete sie.
Soweit er es beurteilen konnte, war die Angestellte erschossen worden, weil sie gesehen hatte, was in Zimmer 11 und Zimmer 12 passiert war.
»Er ist der Agent«, meinte der Sheriff. »Und was machen Sie?«
»Leichen identifizieren scheint in letzter Zeit meine Spezialität zu sein«, erwiderte Drake. Sie standen auf der anderen Seite des Zimmers. In der Ecke gegenüber machte sich Driscoll mit Hilfe eines Kugelschreibers Aufzeichnungen über Eddie. Die Zentrale hatte keine Informationen über ihn, und sie wussten überhaupt nichts, nur dass er tot war. In einer der Kommodenschubladen fanden sie einen Pistolenkasten für eine Waffe, die verschwunden war. Drei Magazine ruhten noch in dem Schaumgummi, und außerdem war da noch eine Rinne für einen Zylinder.
»Für den Schalldämpfer«, stellte Driscoll fest. »Eine 22er.«
»Ganz schön klein für diese Typen«, meinte Drake.
»Genau das Richtige für diese Typen. Diese Dinger sind in den Fünfzigern und Sechzigern aufgetaucht, meistens bei
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