Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
Vom Netzwerk:
da bei dir im Krankenhaus, einfach nur jemand, der beschädigt worden ist, jemand, der geheilt werden muss.«
    Drake saß auf der Bank und drehte sich um, damit er den Schwestern in ihrem Raucherzirkel zusehen konnte. Als er sich wieder umwandte, sagte er: »Was hast du gemacht, das ganze Ratgeber-Regal in der Buchhandlung durchgelesen?«
    »Komm schon, Bobby, wenn man Hunger hat, isst man. Wenn man Durst hat –«
    »Wenn man pleite ist, schmuggelt man Heroin im Wert von neunzigtausend Dollar ins Land«, fiel Drake ihr ins Wort.
    »Du weißt genau, dass das nicht so läuft.«
    »Dafür stellen wir solche Typen vor Gericht.«
    »Ja, aber das ist nicht das Problem, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte er und brauchte eine Weile für seine Antwort. »Ich glaube nicht.«
    »Hast du je daran gedacht, dass dieses Mädchen da oben in ihrem Krankenzimmer das so nötig hatte, dass ihr das eigene Leben weniger wichtig war?«
    Drake sagte nichts.
    »Weißt du, wenn du diesem Mann das Leben rettest, dann geht’s dabei eigentlich gar nicht um diesen Killer, der hinter ihm her ist, nicht mal um dich.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.«
    »Wahrscheinlich ist dem schon länger etwas auf den Fersen, als du am Leben bist, und es wird ihn auch noch länger verfolgen, ganz gleich, was da oben passiert.«
    »Und du glaubst, damit hast du recht?«
    »Ich weiß es.«
    »Woher?«
    Sheri schwieg einen Moment. »Ich sehe es an dir.«
    »Was siehst du?«
    »Ich sehe es – jeder, der dich genau anschaut, kann es sehen. Warum bist du überhaupt erst in die Berge raufgegangen?«
    »Zum Jagen. Das hab ich dir doch gesagt.«
    »Das ist nicht wahr. Und das weißt du auch.«
    »Ich weiß nur, was ich getan habe.«
    »Das ist die heroische Antwort, aber ich wette, die Wahrheit hat irgendwas mit diesem Auto zu tun, und irgendwo ganz tief im Innern mit deinem Vater. Aber ich glaube, das würdest du nicht zugeben, stimmt’s?«
    »Jetzt komm schon.«
    »Was soll ich denn sagen? Ich sag dir die Wahrheit. Wieso bist du noch nicht nach Hause gekommen?«
    »Ich arbeite.«
    »Seit wann bist du denn bei der Drogenfahndung?«
    »Driscoll braucht mich.«
    »Wo ist Driscoll jetzt?«
    »Oben.«
    »Und wieso bist du nicht bei ihm?«
    »Das ist nicht fair, Sheri.«
    »Du bist immer noch da oben in den Bergen. Genau da bist du.«
    ***
    Grady landete bäuchlings auf dem Kellerboden. So viel Blut, dass er nicht wusste, was davon zu ihm gehörte und was zu den Männern, die er getötet hatte. Er stöhnte, rappelte sich mit Gewalt auf. Die Hände glitschig von dem Zeug. Roter Handabdruck auf dem grauen Boden. Noch immer hielt er die 22er in der Hand, stemmte sich mit geschlossener Faust auf den Fingerknöcheln hoch. Er schrie auf, spürte die zerfetzten Muskeln in seiner Seite. Weißglühender Schmerz durch und durch. Das Rückgrat hinauf bis in den Kopf.
    Er wusste, dass die Männer ihm dicht auf den Fersen waren. Die ganze Situation war im Arsch, und er wusste, dass keine Zeit für Nora war. Die Hand gegen die Seite gepresst, hastete er durch den Raum, Blut zwischen den Fingern. Der Tote blockierte die Tür. Er griff nach unten und zerrte ihn aus dem Weg, nahm den Koffer von der Werkbank und öffnete die Tür. Graues, wolkenverhangenes Licht, Regen und der moosige Geschmack nasser Erde.
    Den Koffer in der Hand, bog er um die Hausecke, die Faust krampfhaft über der Wunde geschlossen; die 22er mit dem Schalldämpfer wurde warm und glitschig in seinem Griff. Jedes Mal Schmerz, wenn er ein Bein anhob, wenn sich seine Muskeln bewegten. Der Schmerz hatte ihn jetzt ganz und gar durchdrungen.
    An der Einfahrt, auf dem Weg zu dem Lincoln, drückte Grady sich gegen die Hauswand und lauschte. Auf der Veranda hörte er den letzten der Männer durch die Vordertür ins Haus eindringen und ihm folgen. Eine Nachbarin erschien am Fenster und verschwand rasch wieder. Er eilte weiter, erreichte den Lincoln und riss die Tür auf. Das Hinsetzen tat weh. Sein Hemd und seine Hose waren mit einem Gemisch aus menschlichem Blut getränkt, klebten schwer an seinem Körper. Er tastete in den Taschen nach dem Autoschlüssel und zog ihn heraus.
    Das hier war nicht Teil des Plans gewesen.
    Die Heckscheibe zerbarst. Er zog den Kopf ein und drehte den Schlüssel. Der Motor sprang an, und er trat aufs Gas, den Kopf unterhalb des Armaturenbrettes, ohne hinzuschauen; blind schätzte er die Biegung und schrammte dabei an einem Auto vorbei. Schüsse. Das Prasseln von Schrot entlang der

Weitere Kostenlose Bücher