Schreckensbleich
Hunt in der Leitung blieb, und daran, wie die Luft aus seiner Lunge entwich und über das Telefon knisterte.
»Ich habe in der Zeitung von Ihnen gelesen«, sagte Hunt.
»Ich habe die nicht darum gebeten, das alles zu drucken.«
»Haben sie aber trotzdem gemacht.«
»Ja«, meinte Drake, »da ist ’ne ganze Menge Zeug über die Vergangenheit geschrieben worden, das eigentlich in der Vergangenheit hätte bleiben sollen.«
»Ist schon komisch«, sagte Hunt.
»Was ist komisch?«
»Ich habe Ihren Vater gekannt, Sheriff Drake, oben in Silver Lake.«
»Sie meinen, Sie haben mit ihm zusammen Drogen geschmuggelt.«
»Nein, ich meine, ich habe ihn gekannt. War bloß ein Konkurrent, das ist alles.« Eine Pause, das Geräusch von Hunts Atmen am anderen Ende der Leitung. »Wir haben mal zusammen ein Bier getrunken, haben eine geraucht, nichts, wobei man sich ewige Freundschaft schwört. Er war nichts, wofür man sich schämen müsste.«
»Er war gut im Drogenschmuggeln, wenn Sie das meinen.«
»Ich meine als Vater, nicht als Schmuggler.«
»Na ja, damit war dann Schluss.«
»Wollten Sie nicht ins Familiengeschäft einsteigen?«
»Ich versteh nichts davon.«
»Nein?«
»Nein.«
»Und jetzt? Verstehen Sie jetzt was davon?«
»Ich verstehe ein bisschen.«
»Sie waren wichtig für ihn«, sagte Hunt. »Er ist ’ne Menge Risiken eingegangen. Viel von dem, was er getan hat, hat er getan, weil Sie ihm wichtig waren. Falls das überhaupt von Bedeutung ist.«
Drake sagte nichts. Er konnte nicht sagen, ob Hunt versuchte, ihn zu manipulieren. Er hatte gehofft, das, was in der Vergangenheit geschehen war, würde dort bleiben, was immer es auch sein mochte. Doch ihm war klar, dass es nicht so war und dass es nie so sein würde. Das Mädchen in dem Zimmer da hinten war tot. Die Drogen waren verschwunden. Bezahlte Killer waren dort draußen unterwegs. Pferde und Männer mit Kanonen, die Schießerei am O.K. Corall hoch zehn.
»Haben Sie das Zeug noch?«, wollte Drake wissen.
»Was für Zeug?«
»Wir haben die Röntgenbilder von dem Mädchen gesehen. Sie wissen genau, wovon ich rede.«
»Ist sie okay?« Wieder trieb die Stimme haltlos ab.
»Sie ist gerade eben gestorben, Hunt. Tut mir leid.« Eine lange Pause: Drake mit dem Ohr am Telefon, die Finger um den Rand des Tresens gekrümmt; fast klammerte er sich daran fest. »Hunt?«
»Ja, ich bin noch da.«
»Haben Sie das Heroin noch?«
»Nein.«
»Sie könnten sich retten, wenn Sie es noch hätten. Wir wissen das mit Ihrer Frau, wir wissen, dass sie entführt worden ist. Wir können da eine Lösung finden.«
Noch immer kam niemand aus Thus Zimmer, und Drake wollte gern rufen, wollte Driscoll rufen und ihn hier bei sich haben, damit er ihm sagte, was er tun solle.
»Was bieten Sie an, dasselbe, was Sie dem Jungen angeboten haben?«
»Das war ein Unglücksfall, das hätte nie passieren dürfen.«
»Und was ist mit Ihrem Vater?«, fragte Hunt. »Was glauben Sie? Hat der einen Deal gekriegt? Hat er bekommen, was er verdient hat?«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
»Sie meinen, dazu werden Sie nichts sagen.«
»Ich versuche hier, Ihnen zu helfen.«
»Warum holen Sie nicht meine Frau zurück? Wie wär’s damit?«
»Wir wissen nur so viel, wie Sie uns erzählen.«
»Aber irgendwas muss ich Ihnen geben, stimmt’s?«
»So läuft das nun mal.«
»Wenn ich Ihnen das Zeug geben würde, würden Sie dann alle Anklagepunkte gegen mich fallenlassen?«
»Ich würde tun, was ich kann. Das kann ich Ihnen nicht sagen, ohne mich näher mit Ihnen zu unterhalten.«
»Er hat meine Frau.«
»Ja, ich weiß.«
»Dann werden Sie auch verstehen, dass ich das nicht machen kann.«
Schweigen.
»Hunt?«, fragte Drake.
»Ja, ich bin da.«
»Warum sind Sie nicht abgehauen?«
»Wovon reden Sie?«
»Nachdem Sie den Mann in dem Angelladen erschossen haben, warum sind Sie da nicht abgehauen?«
»Wieso fragen Sie mich das jetzt?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Drake. »Ich habe darüber nachgedacht. Ich versuche, es zu verstehen.«
»Da gibt’s nichts zu verstehen. Ich habe einen Mann erschossen, und seitdem bezahle ich dafür. So ist das. Ich würd’s rückgängig machen, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. So was kann man nicht rückgängig machen.«
»Hunt«, fragte Drake, »warum lassen Sie sich nicht von uns helfen?«
Eine lange Pause in der Leitung, dann: »Ich habe das Heroin nicht, aber ich kann Ihnen sagen, wo Thu es hinbringen wollte.«
»Das würden Sie
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