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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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Tür; das Licht von draußen fiel auf den Boden. »Als sie eingeliefert worden ist, lag sie schon im Sterben, und niemand konnte uns sagen, wer sie ist.«
    »Sie heißt Thu«, sagte Drake. »Sie hat zwei Kinder.«
    »Sehen Sie«, meinte die Schwester, »dann ist so was doch einfach völlig sinnlos.«
    »Hat es nicht gerade dann am meisten Sinn?«
    »Nicht, wenn man so endet.«
    Drake blickte den Flur hinunter. Er musste Thu um seinetwillen sehen, sehen, ob sie dieselbe Frau war, die er auf dem Foto gesehen hatte. »Wird sie wieder?«, fragte er.
    »Sie pumpen sie mit einem Medikament voll, das den Drogen entgegenwirkt.«
    »So was wie ein Gegengift?«
    »Das meiste hat sie schon absorbiert, aber eigentlich hätte die Heroindosis in ihrem Körper sie umbringen müssen. Als sie hier ankam, waren ihre Nagelbetten zyanotisch, die Haut war bläulich verfärbt, als ob kein Sauerstoff ins Blut gepumpt wird. Das war kein gutes Zeichen.«
    »Bringen Sie mich hin?«
    »Kann ich machen. Aber ich sage Ihnen, viel gibt’s da nicht zu sehen.«
    Als sie das Zimmer erreichten, war Driscoll bereits dort. Der Arzt hielt eine Röntgenaufnahme hoch und zog mit dem Finger einen Kreis um einen weißen Klumpen in der Nähe des Beckenknochens. »Sie sehen ja, was ich meine«, sagte die Schwester. Was Drake sah, war eine kleine junge Frau, die auf dem Rücken im Bett lag. Ihre Haut schien sich zu lösen, als hätte das Klima sie beschädigt, als schrumpfe irgendetwas in ihr zusammen und zöge alles an ihr mit. Sie war blass, die Augen geschlossen, das dunkle Haar auf dem Kopfkissen schien das einzig Lebendige an ihr zu sein.
    Irgendetwas im Zimmer begann leise zu piepsen, und der Arzt und die Schwester wandten sich dem Bett zu. Drake stand da, im Türrahmen ausgebremst. Er wurde zur Seite geschoben, wieder auf den Flur hinaus, als noch mehr Leute vom Pflegepersonal zu Hilfe kamen. Er konnte Driscoll nicht sehen, nahm jedoch an, dass er da drin war, in die Ecke gedrängt, während das Personal versuchte, das Mädchen in dem Bett zu retten.
    Von der Tür aus war ganz offensichtlich, was dort vor sich ging, es war nicht nötig, zuzuschauen. Doch er wurde von dem Geschehen angezogen, wie ein Unfall auf dem Highway einen anzieht, mit derselben morbiden Furcht vor dem, was er vielleicht sehen würde. Ein Stück weiter den Flur hinunter klingelte das Telefon. Einen Augenblick lang war das einfach Teil des allgemeinen Hintergrunds, der Schwestern und Ärzte, die hastig mit Spritzen und Epinephrin hantierten, das Klappern und das Schockgeräusch des Defibrillators. Er merkte, wie er aus dem Ganzen herausglitt, der Ausgang jetzt vorgezeichnet, die Zukunft entschieden. Wieder wurde ihm das Telefonklingeln bewusst. Er wusste nicht, wie lange es schon schrillte, doch er wusste, dass niemand im Schwesternzimmer war, der abheben konnte. Also ging er zum Tresen, griff hinüber, nahm den Hörer ab und sagte hallo.
    Eine kurze Pause, dann: »Ich möchte mich nach der jungen Frau erkundigen, die vor ein paar Tagen eingeliefert worden ist, die mit der Überdosis.«
    Drake schaute den Flur hinunter, der jetzt leer war, und alles, was er hören konnte, waren die gedämpften Stimmen des Personals und der andauernde Alarm des Geräts im Zimmer des Mädchens. »Ich kann etwas ausrichten«, sagte er und kam sich blöd vor, griff aber im selben Moment nach einem Stift.
    »Nein«, wehrte die Stimme ab, »das ist nicht nötig, ich wollte mich nur nach ihr erkundigen. Wenn Sie mir vielleicht sagen könnten, wie es ihr geht?«
    Irgendetwas an der Stimme, etwas Rauhes, wie in der Kehle gurgelnde Steine. »Hunt?«, fragte Drake.
    »Bitte?«
    Eine Pause. »Legen Sie nicht auf. Ich habe vor ein paar Tagen Ihre Frau kennengelernt.«
    »Was ist mit ihr?«, wollte Hunt wissen.
    Drake konnte es kaum glauben. »Ich bin ihr vor ein paar Tagen begegnet. Ich war auf der Suche nach Reitunterricht. Das war, bevor wir irgendwas über Sie wussten.«
    »Und was wissen Sie jetzt über mich?«
    Drake sagte es ihm. »Ich war derjenige da oben in den Bergen«, erklärte er. »Sie sitzen hier mächtig in der Tinte, Hunt. Mehr, als Ihnen klar ist, glaube ich.«
    »Ich glaube, ich hab ’ne ganz gute Vorstellung davon.«
    »Sie waren in dem Motel. Waren Sie schon bei Ihrem Haus?«
    »Ich war da.«
    »Dann haben Sie ja –«
    »Genug gesehen.«
    »Ja, das glaube ich Ihnen gern.«
    Hunt schwieg. Er legte nicht auf, und Drake lauschte. Es war etwas Einsames, Gebrochenes an der Art und Weise, wie

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