Schreckensbleich
Karosserie.
Gaspedal. Gaspedal.
Nora, dachte er.
***
Durch die Bäume konnte Hunt bereits die dunkle Asche erkennen, wie Schmiere auf dem Rasen verteilt. Alles, was von seinem Haus zu sehen war, waren die Ziegelsteine des Schornsteins. Er fuhr vorbei und parkte einen knappen halben Kilometer weiter unten an der Straße. Regenschauer waren hier durchgezogen, und alles sah düster und nach wachsender Verzweiflung aus. Er saß im Auto und wusste die Wahrheit, dass es vorbei war, dass es einen Zeitpunkt gegeben hatte, als er dachte, er würde es vielleicht schaffen, er und Nora hätten vielleicht eine Zukunft, doch er wusste, dass es jetzt vorbei war. Er hatte das gelbe Polizei-Absperrband gesehen, das rundherum gespannt war, wie der Umriss eines imaginären Hauses, das jetzt nur noch in seiner Erinnerung stand.
Er nahm die Notfalltasche aus dem Truck und ging über die Straße zu dem kleinen Reitweg, der durch den Wald auf sein Grundstück hinausführte.
Eine Zeitlang stand er zwischen den Bäumen und betrachtete das Ganze. Es sah aus, als wäre eine Bombe abgeworfen worden: Wo sein Haus gestanden hatte, war nur noch ein verkohlter Krater.
Als er sicher war, dass niemand in der Nähe war, ging er zwischen den Bäumen hindurch und folgte dem Zaun auf das Haus zu. Die Blutflecken, dort, wo Grady die Pferde erschossen hatte, waren dunkle Löcher im Gras. Eine Weile stand er da, die Arme auf den Zaun gelegt, und starrte auf die Weide hinaus. Selbst wenn er davonkam, was würde das nützen? Doch noch als er das dachte, wusste er, dass noch drei Pferde auf der Bergwiese auf ihn warteten. Auch wenn es nicht seine waren, konnte er möglicherweise eine Zucht mit ihnen aufbauen und so einen anständigen Profit machen. Er wusste auch, dass die Besitzer der Pferde ihre Tiere nie wiedersehen würden, es sei denn, er wurde getötet, doch er versuchte, diesen Gedanken beiseitezuschieben.
Näher als bis zum Rand der versengten Grasfläche ging er nicht an die Überreste des Hauses heran. Am Boden konnte er das Erdreich sehen, wo das Feuer alles weggebrannt hatte. Und sogar die Erde sah aus, als sei sie gebacken worden, bis nichts mehr zu erkennen war außer der Ebenheit der Fläche, wo er einst vom Stall zum Haus gegangen war, und den kleinen verkohlten Steinchen, die damals immer im Profil seiner Schuhsohlen hängengeblieben waren.
Wieder merkte er, wie die Gefühle in ihm emporwallten, und er ließ sich Zeit und zwang sie wieder hinunter in seinen Magen, wo er spüren konnte, wie sie sich fest zusammenzogen. Er öffnete die Notfalltasche, nahm das Heroin heraus und ging zum Stall hinüber. Auf dem Boden fand er das lose Brett, unter dem er manchmal Ware verstaut hatte. Die Finger um den Rand gehakt, zog er es weg, saß da und blickte in das schwarze Loch darunter.
Ihm war klar, dass dies entweder das sicherste oder das dümmste Versteck war. Er war sich nicht ganz klar darüber, welches von beiden, doch ab einem bestimmten Punkt wusste er, dass alles, was in den letzten paar Tagen geschehen war, eine Frage der Chancen zu sein schien. So glaubte er, bessere Chancen zu haben, wenn auch keine sehr guten. All dieses Heroin dabeizuhaben fühlte sich an, als säße der Tod neben ihm.
Als er fertig war, das Brett wieder an Ort und Stelle lag und der Staub sich von neuem über dem Versteck gelegt hatte, zog er das Handy aus der Tasche und rief noch einmal im Krankenhaus an.
***
Als die Fahrstuhltüren sich öffneten, trat Drake auf einen cremeweiß gefliesten Fußboden hinaus. Eierschalfarbene Wände und Zimmer, die vom letzten Tageslicht verzehrt wurden.
Was Sheri zu ihm gesagt hatte, war immer noch da, schwebte wie von einer Schnur gezogen neben ihm her. Zweimal hatte er das Handy aus der Tasche gezogen, wollte seine Frau zurückrufen, doch dann hatte er es sich anders überlegt und es wieder eingesteckt. Am Schwesternzimmer zeigte er seinen Stern vor und fragte nach Driscoll.
»Gibt eigentlich keinen Grund, da drin zu sein«, bemerkte die Schwester.
»Wieso?«
»Ich weiß nicht, was für Informationen er aus ihr rauskriegen will.«
»Irgendetwas wird sie doch bestimmt sagen können.«
Die Schwester bedachte ihn mit einem Blick, den Drake zuerst nicht verstand. »Sie ist fast hirntot, mit all dem Heroin im Körper.«
»Hirntot?«
»Im Koma«, erklärte die Schwester knapp und schaute den Flur hinunter. Drake folgte ihrem Blick, sah aber nur die eierschalweißen Wände und den cremefarbenen Boden, alle drei Meter eine
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