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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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die Wahrheit erfahren würde – dass sein Vater es für ihn getan hatte, dass er das Ganze auf irgendeine verwirrte, halbbewusste Art und Weise als einzigen Ausweg betrachtet hatte.
    Sie hatten sich eine Autostunde vom Silver Lake entfernt getroffen, in einer leeren Bar am Straßenrand, wo beide sich ziemlich sicher sein konnten, dass sie niemanden treffen würden, der sie kannte. Trotzdem waren sie vorsichtig gewesen, hatten ganz hinten an einem Ecktisch gesessen, Hunts Zigaretten auf der hölzernen Tischplatte, zwei Bier vor ihnen, die Gläser von Wasserperlen überzogen. Der Sheriff hatte ihm seine Vergangenheit geschildert, das mit seiner Frau und seinem Sohn. Er wollte nicht tun, was er tat, doch er tat es trotzdem. Hunt sagte, bei ihm sei es genauso. Der Sheriff musterte ihn, wartete ab, ob Hunt lächeln würde, ob er sich einen Spaß machte, doch als er es nicht tat, sagte er: »Ich sollte Sie zum Teufel jagen.«
    »Das könnten Sie tun.«
    »Dafür werde ich bezahlt.«
    Hunt schaute auf das Bier auf dem Tisch hinab. Er legte die Handfläche an das Glas und spürte die kalten Wassertropfen. »Wenn ich etwas sagen würde –«
    »Was würden Sie denn sagen?«, fiel ihm der Sheriff ins Wort. »Niemand würde Ihnen glauben.«
    »Vielleicht nicht, aber trotzdem, wahrscheinlich würden die Leute anfangen zu reden. Ich bezweifle, dass Sie noch einmal gewählt würden. Sie verdienen doch eh schon so wenig.«
    Der Sheriff musterte ihn mit kaltem, starrem Blick. Er sah sich in der Bar um, als hielte er Ausschau nach Zeugen, und Hunt rechnete bereits damit, gleich hier plattgemacht zu werden. Dann griff der Sheriff nach dem Bier, das vor ihm stand, und leerte es in einem Zug. Er erhob sich, und sein Stuhl scharrte kreischend auf dem harten Fliesenboden. »Womit Sie Ihre Zeit verbringen, geht mich nichts an«, sagte er. »Aber wenn Sie mich in eine Situation bringen, wo ich einen von meinen Deputys dabeihabe, dann werde ich handeln müssen. Und ich werde dafür sorgen, dass Sie hinterher nicht mehr imstande sind, mich zu verleumden. Verstanden?«
    Hunt nickte. Der Sheriff zog sein Hemd zurecht, dann marschierte er aus der Bar hinaus und ließ Hunt dort sitzen. Hunt und Eddie hatten schon früher mit zwielichtigen Cops zu tun gehabt. Doch das hier war etwas anderes; der Mann war nicht auf einen Anteil oder auf Schmiergeld aus, er versuchte bloß, dasselbe zu tun, was Hunt getan hatte. Wie lange er das schon machte, wusste Hunt nicht. Alles, was er wusste, war, dass er den Sheriff einmal da oben in den Bergen erwischt hatte; er hatte von einem entfernten Bergkamm aus gesehen, wie der Mann eine kleine Ladung in Empfang nahm, um sie durchs Gebirge hinabzuschaffen. Der Sheriff hatte ihn auch gesehen, oder er hatte zumindest schon seit geraumer Zeit Bescheid über ihn gewusst; er hatte ihn auf der Straße angehalten, knapp außerhalb des Silver Lake District. Niemand war in der Nähe gewesen, der Sheriff hätte mit ihm anstellen können, was er wollte, doch er hatte es nicht getan.
    In gewisser Weise, dachte Hunt, schuldete er dem Mann sein Leben. Auch wenn es nur widerwillig gewährt worden war, er wusste, dass der Sheriff nicht der Typ war, ihn kaltblütig zu ermorden. Eine Warnung, ganz einfach, und Hunt hatte die Absicht, sie zu beherzigen. Er hielt sich fern, wählte andere Routen durch die Berge. Sorgsam darauf bedacht, die Balance nicht zu stören, die zwischen ihnen herrschte.
    Er fuhr weiter und trank von seiner Cherry Cola. Vertrieb sich die Zeit damit, darüber nachzudenken, was er diesem Mann schuldete. Hunt war in mieser Verfassung, ein Loch durch die Wade, das Geschäft im Eimer, die Frau gekidnappt. Aber er war am Leben. Alles hätte anders sein können, hätte das Ganze schon vor zehn Jahren geendet. Doch er fuhr immer noch weiter, fuhr nach Süden, versuchte, das wenige aufzuklauben, was von einem Leben übrig war, das anscheinend ebenso schnell in die Brüche ging, wie es aufgebaut wurde.
    In Everett, fünfzig Kilometer nördlich von Seattle, fuhr er auf den Parkplatz eines Jagdgeschäfts, das er kannte. Er wusste, dass etliche Leute nach ihm suchten, und dachte bei sich, dass sie ihn eines Tages wohl finden würden, aber nicht heute. Er lief in einer Hose herum, die von dem einen Knie abwärts nicht mehr da war, und mit einem Verband um die Wade wie eine weiße Fahne. Und er war noch nicht bereit, einfach aufzugeben.
    Er drehte den Schlüssel, und das Grollen des Motors verstummte. Dann schob er die

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