Schrei Aus Der Ferne
Zwei Paare. Das war die Beziehung. Manchmal, wenn es passte, war Beatrice dabei. Manchmal auch nicht.«
»Sie war dann bei ihrem Babysitter, ihrer Tagesmutter?«
»Das vermute ich. Ich weiß es nicht genau.«
»Aber Sie machten zusammen Bootsfahrten auf dem Fluss, Tagesausflüge?«
»Ja, manchmal.«
»Und bei solchen Gelegenheiten, was würden Sie da über Ihren Mann und Beatrice sagen? Ich meine, haben sie sich verstanden?«
»Ja, ich denke schon. So weit ein über Fünfzigjähriger sich mit einer Zehnjährigen verstehen kann.«
»Sie fühlte sich also wohl in seiner Gesellschaft? Ich meine, sie war nicht eingeschüchtert oder etwas in der Art, wie es manche Mädchen wären?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Die Atmosphäre war freundlich? Entspannt?«
»Ja, wenn Sie so wollen. So könnte man sagen.«
»Und ist Ihnen jemals aufgefallen, dass Ihr Mann sich auf eine Weise verhalten hat, die Sie als unangemessen bezeichnen würden?«
»Unangemessen?«
»Ja.«
»Natürlich nicht.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Natürlich bin ich mir sicher.«
»Sie wissen aber, dass sich Ihr Mann für junge Mädchen interessiert?«
»Dass er was tut?«
»Dass er sich für junge Mädchen interessiert, Fotografien und so weiter …«
»Fotografien, das heißt doch nicht …« Unvermittelt brach sie ab.
»Was heißt es nicht, Mrs Henderson?«
»Es heißt nicht, dass er … Es hat nichts mit Beatrice zu tun, überhaupt nichts. Das sind doch nur Bilder, sonst nichts. Was ist schon dabei, wenn er sie gerne ansieht? Das ist kein Verbrechen.«
»Es gibt Gesetze.«
»Es handelt sich um Bücher, die Sie in jeder Buchhandlung kaufen können.«
»Gesetze, die unzüchtige Bilder von Kindern betreffen.«
»Jetzt reden Sie Unsinn.«
»Wirklich?«
»Natürlich.«
»Ich muss Sie etwas fragen, Mrs Henderson. Haben Sie die Bilder gesehen, die Ihr Mann aus dem Internet heruntergeladen hat?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Junge Mädchen, nicht viel älter als Beatrice, die in Tennisröckchen herumtanzen. Sich vor der Kamera produzieren. Nackt in die Dusche gehen. Sich selbst berühren. Sich gegenseitig berühren.«
»Hören Sie auf.«
»Es gibt einen kurzen Film, der nur ein paar Minuten dauert. Man sieht ein Mädchen mit zwei erwachsenen Männern …«
»Aufhören.«
»An einem bestimmten Punkt zoomt die Kamera auf ihr Gesicht und man …«
»Halt!« Catriona warf die Arme in die Luft und wedelte damit herum. »Hören Sie bitte auf!«
Ellie warf einen Blick auf den Beamten neben sich. »Mrs Henderson«, sagte sie, »wenn Sie gern eine Pause hätten …«
»Vielleicht, wenn …«, begann Catriona. »Vielleicht, wenn ich allein mit Ihnen sprechen könnte.«
Sie sah weg. Ellie nickte und kommentarlos erhob sich der Beamte und verließ den Raum.
»Schon gut«, sagte Ellie. »Nehmen Sie sich Zeit.«
Unter den Ärmeln von Catrionas Bluse zeigten sich dunkle feuchte Stellen, und schon konnte Ellie schwach den Schweiß riechen, den der Körper der anderen verströmte.
»Möchten Sie gerne etwas Wasser?«, fragte sie, aber Catriona begann zu reden, als hätte sie es nicht gehört. Im Gegensatz zu vorher war ihre Stimme leise und gedämpft.
»Als ich herausfand … als ich merkte … was … was ihn erregt, was ihn anmacht, waren wir schon jahrelang zusammen und verheiratet, und als er es mir erzählte, dachte ich zuerst, er macht einen Witz. Wahrscheinlich hat er auch versucht, es als Witz darzustellen. Er hat gefragt, ob ich noch meine alte Schuluniform hätte. Ich weiß noch, dass ich gesagt habe, er soll nicht so albern sein, aber trotzdem merkte ich, dass es ihn – also nur darüber zu sprechen, hatte ihn erregt. Und dann kam er eines Tages mit Turnzeug für Mädchen nach Hause; Sie wissen schon, grüner Sportrock, weiße Bluse und weiße Söckchen. In Erwachsenengröße. Gott weiß, wo er das herhatte, ich vermute, aus so einem Laden, wo es Karnevalskostümegibt und so weiter. An diesem Abend hat er mich gebeten, es anzuziehen, und wurde böse, als ich mich weigerte. Er war richtig, richtig böse, also hab ich es getan, und danach hat er mich immer wieder darum gebeten und brachte noch andere Sachen zum Anziehen mit, zum Beispiel Slips Ouvert, und dann begann er damit, dass er Fotos machen wollte. Eines Abends sah ich mich selbst im Spiegel: eine fette, übergewichtige, nicht mehr junge Frau, die auf dem Bett in dieser bescheuerten Aufmachung posierte, und überall quoll ein bisschen
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