Schrei Aus Der Ferne
unvermittelt, »diese Sachen, die er gesagt hat, dass er Ihnen die Schuld gibt für das, was passiert ist, all diese wilden Anschuldigungen – das hat er nur im Eifer des Gefechts gesagt, Sie sollten sich nicht …«
»Nein«, sagte Efford. »Er hatte doch recht. An seiner Stelle hätte ich genauso reagiert. Es war meine Schuld. Mein Fehler.«
»Aber Sie konnten doch nicht wissen …«
»Ich hatte ihnen gesagt, dass sie nicht gehen dürfen. Es war schon zu spät, zu kurz vorm Dunkelwerden.«
»Aber der Nebel …«
»Nein. Ich hatte es verboten und dann haben sie mich beschwatzt.«
»So sind Kinder eben.«
»Ich weiß. Aber wir müssen’s besser wissen, richtig?«
Für einen Moment schloss Ruth die Augen. »Ich habe es noch gar nicht gesagt, nicht zu Ihnen, nur zu Pauline. Also, ich freue mich so, dass es Kelly gut geht. Ich freue mich …« Sie legte eine Hand ans Gesicht, und ihre Haut schien zu brennen. »Das ist viel zu wenig. Es ist wunderbar, das will ich sagen, einfach wunderbar. Wenn sie nur beide … wenn sie beide …«
Sie wandte ihr Gesicht ab, überwältigt von Tränen.
»Ruth …«
Die Tränen wurden zu Schluchzern und sie zitterte.
Efford erhob sich und zögerte, war unsicher, bevor er näher kam. Als er sie berührte, eine Hand tröstend auf ihre Schulter legte, fuhr sie zusammen und er trat zurück, aber sie drehte sich zu ihm um, zitterte am ganzen Körper und drückte ihr Gesicht an seine Brust.
Ohne nachzudenken, küsste er sie auf den Kopf. »Gehen wir doch rein.«
Sie stolperte und er ergriff ihren Arm.
Das Innere des Zelts war schattig, es war kühler und überall lagen Kleiderbündel, Matratzen, Schlafsäcke, Tassen und Teller aus Plastik, Sachen für den Strand.
»Entschuldigung«, sagte sie und wischte sich über die Augen. Ihre Nase lief, und sie rieb sich die Wange.
Er streckte beide Hände nach ihr aus.
»Nein«, gelang es ihr zu sagen. »Das ist nicht …«
Sein Mund strich über ihre Wange, ihren Hals, der glatt vom Schweiß war, sie spürte seine Zähne und seine Zunge auf ihrer Haut; beide verloren die Balance und fielen zurück, seine Hand griff unter ihren Rock.
»Oh Gott!«
Ihre Beine waren gespreizt und mit Daumen und Zeigefinger öffnete er sie wie eine Muschel.
»Gott!«
Sie wollte ihn in sich haben, sein Gewicht spüren, sie wollte gefickt werden. Hart.
»Gott!«
Als sie kam, war es wie die Flut, in Wellen erschauderte sie immer wieder an seinem Körper; die Hacken fest hinter seinen Beinen geschlossen, die Finger hinter seinem Hals verschränkt, zog sie ihn an sich.
Enthemmt und nass lagen sie Seite an Seite, sie hatte den Kopf auf seine Brust gelegt, sein Atem vermischte sich langsam mit ihrem. Wider Erwarten schlief sie ein.
Nach einer Weile glitt er vorsichtig unter ihr heraus, suchte sich ein Handtuch, rieb sich damit am Bauch und zwischen den Beinen ab, ging nach draußen und zündete sich eine Zigarette an.
Dort saß er noch, als Ruth etwa vierzig Minuten später herauskam. Ihr Gesicht war gerötet, sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Die Sonne hatte ihre Kraft verloren, am Himmel hingen Wolkenstreifen.
»Alles in Ordnung?«
Sie nickte unsicher.
»Setz dich hin. Ich mach ’ne Tasse Tee.«
»Nein, das ist nicht nötig …«
»Doch, komm schon. Dauert noch ’ne Weile, bis die Kinder zurückkommen und die Hölle los ist.«
Ruth setzte sich und wartete. Wenn sie sicher gewesenwäre, dass sie die andere Seite des Feldes erreichen würde, ohne zu stolpern, wäre sie vielleicht einfach weggegangen.
»Nimmst du Zucker?«
»Nein, danke.«
»Zigarette?«
Sie schüttelte den Kopf. Eine Weile sagten sie gar nichts. An einigen der anderen Zelte spielten Kinder; Erwachsene liefen zum Laden und hielten kleine Kinder an der Hand.
»Und Kelly?«, sagte Ruth leise. »Fühlt sie sich langsam besser?«
»Ja. Ja, es geht ihr wieder etwas besser. Aber sie weint immer noch viel und ist irgendwie in sich gekehrt. Sie will nicht darüber sprechen, was passiert ist. Wird ’ne Weile dauern. Die im Krankenhaus meinen, sie sollte vielleicht zu jemandem gehen, wenn wir zurück sind, zu einer Art Psychiater, so einem Seelenklempner.«
»Ich glaube, ich bin es, die einen Seelenklempner braucht«, sagte Ruth.
Efford grinste und schüttelte den Kopf. »Du doch nicht.« Er griff hinüber und strich mit den Fingern über die Innenseite ihres Armes. »Mach dir keine Sorgen. Ich erzähl’s keinem. Okay?«
Sie nickte.
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