Schrei Aus Der Ferne
hat, die fünfzehn Jahre zurückgehen, und es ist dabei nur zu einer Verhaftung, einer Verurteilung gekommen – muss mehr als Glück dahinterstecken.«
42
Sie trafen Roy Cole im Polizeirevier an der Bethel Street, einem großen Backsteinklotz mit riesigen Fenstern, der einem Lagerhaus glich. Cole war Detective Sergeant und seit fünfzehn Jahren bei der Polizei. Er begrüßte sowohl Will als auch Helen mit festem Handschlag. Seine Kleidung roch nach Tabak.
»Nun«, sagte Cole, »Heywood hat wieder was angestellt?«
»Nicht unbedingt«, sagte Will. »Sein Name kam im Laufe einer Ermittlung auf, und vielleicht ist gar nichts dran.«
»Wie ich schon am Telefon sagte, handelt es sich nur um ein paar Fragen«, erklärte Helen.
»Tatsache ist, wir haben versucht, die Augen offen zu halten und sicherzustellen, dass er nicht wieder was ausheckt. Das ist aber gar nicht so einfach. Typen von seiner Sorte sind ziemlich schlicht gestrickt. Die verschaffen sich ihren Kick durch Wichsen beim Anschauen von Kinderpornografie. Und da können wir nicht viel machen.« Er warf einen Blick auf Helen und fügte schnell »Entschuldigung« hinzu, weil er ihren Gesichtsausdruck missverstand.
»Ist in Ordnung, Sergeant«, sagte Helen, »das Konzept des Wichsens ist mir bekannt.«
Errötend ging Cole ihnen auf die Straße voraus. »Von hier können wir ebenso gut laufen. Zu seiner Arbeitsstelle. Er lädt Lieferungen aus und füllt Regale. So gut wie unmöglich, dort einen Parkplatz zu finden.«
Will ging neben ihm, Helen einen Schritt dahinter.
»Bei dieser Ermittlung«, sagte Cole, »geht es da um den gleichen Mist wie vorher?«
Will umriss die Sache in groben Zügen, sagte aber nicht mehr als unbedingt notwendig.
Als sie ankamen, standen Paul Heywood und drei andere – zwei picklige Jünglinge und ein älterer Mann mit Klumpfuß, alle in braunen Kitteln – in der Ladezone am hinteren Ende und machten eine Zigarettenpause.
»Paul«, sagte Roy Cole und winkte ihn heran. »Hier ist jemand, der Sie sprechen will.«
Zögerlich löste Heywood sich von der Mauer, an die er sich gelehnt hatte, zog noch einmal an seiner Zigarette und warf sie auf den Boden.
Er war groß, hatte ein hageres Gesicht, ein verblassendes Tattoo auf dem Hals direkt unter dem Kinn, Haare, die gerade lang genug waren, um sie zum Pferdeschwanz zu binden, und Reste von Herpesbläschen auf der Oberlippe. Hellgraue Augen.
»Ich hab nicht viel Zeit«, sagte er. »Meine Pause …«
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken«, sagte Cole. »Und ihr da drüben, verzieht euch.«
Heywood blinzelte in Wills Richtung, warf einen Blick auf Helen und sah dann schnell weg.
»Wir werden Sie nicht lange aufhalten«, sagte Will. »Nicht länger als nötig.«
Heywood blinzelte noch einmal und sagte nichts.
»Mitchell Roberts«, sagte Will. »Wie ich höre, ist er ein ziemlich guter Freund von Ihnen?«
»Wer soll das sein?«
»Roberts, Mitchell Roberts.«
»Nein, ich glaube nicht …«
»Sie erinnern sich nicht an ihn?«
»Nein, ich glaube nicht. Tut mir leid, nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, ich …«
»Das ist doch Schwachsinn«, sagte Helen und machte plötzlich einen Schritt in Heywoods Richtung. »Der blanke Schwachsinn, und Sie wissen das.« Sie kam näher, bis ihr Gesicht auf einer Höhe mit seinem war. »Glauben Sie, wir sind den ganzen Weg hierher gefahren, um mit solcher Scheiße abgespeist zu werden? Halten Sie es für eine Art Scherz, bei dem Sie rumstehen und uns verarschen können?«
Heywood trat von einem Bein aufs andere, blickte schnell hierhin und dorthin – irgendwohin, wo er ihr nicht in die Augen sehen musste.
»Sie und Roberts waren zusammen im Knast, in Lincoln. Im selben Trakt. Wer weiß, vielleicht haben Sie sogar in einer Zelle gesessen. Wahrscheinlich. Sie haben die ganze Zeit hübsche kleine Gespräche geführt. Und die Zeitschriften, die jemand für Sie reingeschmuggelt hat und für die Sie teuer bezahlt hatten, steckten unter der Matratze. War es nicht so? Wenn ich dir meine zeige, zeigst du mir dann deine? Ja, Paul? War es so?«
»Nein, nein …« Jetzt lief ihm der Schweiß übers Gesicht.
»Was?« Helen schob ihr Gesicht noch näher an ihn heran. »Sie kannten ihn gar nicht? Wollen Sie das sagen? Wollen Sie mir das weismachen?«
»Nein, ich kannte ihn, das stimmt … es ist nur … was Sie gesagt haben, es war nicht …«
»Sie kannten ihn also?«
»Ja.«
»Im
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