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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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blieb stehen, wartete, bis Müller weggefahren und Brandt ausgestiegen war, und reichte ihm die Hand.
    »Tag«, sagte Brandt. »Wer war das?«
    »Nur unser Viehdoktor. Ich hab Ihnen gestern kurz von ihm erzählt.«
    »Der Tierarzt, der mit Ihrem Vater die Kunden übers Ohr gehauen hat? Macht der immer so ein grimmiges Gesicht?«
    »Nicht immer, aber immer öfter«, antwortete er grinsend. »Spaß beiseite, der hat ’ne Menge um die Ohren.« Thomas ließ den Vorfall von eben unerwähnt. »Kommen Sie rein.«
    »Ist Ihre Mutter auch zu Hause?«
    »Nein, sie ist nach Frankfurt gefahren, ein paar Besorgungen machen. Und sie wollte sich dort auch mit einer alten Freundin treffen.« Sie setzten sich ins Wohnzimmer, und kaum hatten sie Platz genommen, fragte Thomas: »Und, haben Sie Neuigkeiten für mich?«
    »Ja, deshalb bin ich auch hier. Der Tod Ihres Vaters war kein Unfall, das hat die vorläufige rechtsmedizinische Untersuchung ergeben.«
    Thomas konnte sich ein höhnisches Lachen nicht verkneifen und erwiderte: »Bravo, dann war der ganze Zirkus gestern wenigstens nicht umsonst. Jetzt müssen Sie nur noch den Mörder finden.«
    »Das werden wir. Allerdings kann es auch sein, dass es kein Mord im klassischen Sinn war.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Ist der Alte etwa nicht richtig abgemurkst worden?«
    »Allem Anschein nach nicht. Aber das wird uns der oder die Betreffende bestimmt erklären, wenn wir ihn oder sie haben«, sagte Brandt und registrierte jede Regung im Gesicht von Thomas, der jedoch keine Auffälligkeiten zeigte.
    »Viel Glück bei der Suche. Ich fürchte nur, ich werde Ihnen nicht dabei helfen können.«
    »Mal sehen, vielleicht ja doch. Gehen Sie eigentlich in die Kirche?«
    Thomas lachte auf. »Nee, ist nicht so mein Ding. Ich kenne zwar Pfarrer Lehnert und hab auch nichts gegen die Kirche, mehr ist da aber nicht. Warum interessiert Sie das?«
    »Weil Ihr Vater einige Male bei ihm war.«
    Thomas sah Brandt zweifelnd an, als würde er glauben, dieser wolle ihn auf den Arm nehmen. »Wiederholen Sie das noch mal. Der Alte soll bei Lehnert gewesen sein? Ist nicht Ihr Ernst, oder? Was hat er denn dort gemacht?«
    »Keine Ahnung, aber Sie wissen ja, wie das mit dem Beichtgeheimnis ist.«
    Thomas schüttelte den Kopf und meinte: »Das glaub ich nicht, das kann ich einfach nicht glauben. Der hat doch mit der Kirche überhaupt nichts am Hut gehabt, ganz im Gegensatz zu meiner Mutter und Allegra, aber meine Mutter geht jetzt auch nicht mehr hin, seit das mit Allegra passiert ist. Hat Lehnert Ihnen das von meinem Vater gesagt?«
    »Ich komme gerade von ihm …«
    »Ich würd aber nicht allzu viel drauf geben. Könnte doch immerhin sein, dass Lehnert zusammen mit meinem Alten zu den Nutten gegangen ist. Sie kennen doch diese notgeilen Priester, die so gerne wollen, aber nicht dürfen«, sagte Thomas grinsend. »Gebeichtet hat mein Alter aber ganz bestimmt nicht. Der war doch der festen Überzeugung, perfekt zu sein, und außerdem hätte er sich nie die Blöße gegeben, einen Fehler einzugestehen. Ich sag Ihnen, Siehätten ihn kennen müssen, dann wüssten Sie, wovon ich rede.«
    »Aber Sie waren auch schon beichten, zumindest gehe ich davon aus.«
    Thomas senkte kurz den Blick und zögerte mit der Antwort. »Und wenn? Ist das verboten?«
    »Ganz im Gegenteil, für einen guten Katholiken gehört es sich, zur Beichte zu gehen«, sagte Brandt mit einem ironischen Unterton.
    »Ja, ich war auch schon bei Lehnert, ist aber ’ne ganze Weile her. Das war noch zu der Zeit, als ich meinte, ein guter Christ sein zu müssen, so wie Allegra und meine Mutter. Hat leider nicht sollen sein.«
    »Woher stammt der Name Wrotzeck eigentlich?«
    »Polen. Irgendwann vor zweihundert Jahren sind die Wrotzecks hierher gekommen und haben sich ’ne Menge Land unter den Nagel gerissen. Na ja, sie waren jedenfalls ziemlich erfolgreich, wie man sieht.«
    »Und Sie wollen tatsächlich verkaufen?«
    »Wir sind am Überlegen, noch ist keine Entscheidung gefallen. Aber für meine Mutter wäre es sicherlich das Beste. Andererseits könnte sie jetzt zeigen, was sie drauf hat, und ich weiß, dass sie es schaffen würde, der Alte hat sie nur nie gelassen. Sie musste ja immer das brave Hausmütterchen spielen. Wissen Sie, was der Alte verlangt hat? Morgens um Punkt halb sieben hatte das Frühstück fertig zu sein, und es war klar, dass die Familie sich dafür geschlossen um den Tisch versammelte, auch wenn Allegra und ich vielleicht erst um neun

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