Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
vorgezogen, sich aus dem Staub zu machen«, seufzte er.
    »Sie war nicht die Richtige für dich, und es hat lange gedauert, bis du das kapiert hast, aber sie hat dir zwei zauberhafte Töchter geschenkt. Und wer weiß, wenn das mit Andrea und dir weiter so gut funktioniert …«
    Brandt hob die Hand und unterbrach seinen Vater: »Keine Zukunftspläne mehr. Für mich zählt nur noch das Heute. Andrea ist dreizehn Jahre jünger, und ich bewege mich mit Riesenschritten auf die fünfzig zu.«
    »Oh, oh, was für ein Drama! Du bist sechsundvierzig und noch lange kein Grufti, wie man heute so schön sagt. Hör bloß auf, in Selbstmitleid zu versinken. Was soll ich erst sagen?! Ich geh auf die siebzig zu, das ist schon was anderes. Und, beklag ich mich?«
    »Nein, doch du hast Mama immer noch, das ist der kleine, aber feine Unterschied. Wir waren immer eine Familie …«
    »Und sind es noch. Bis jetzt haben sich Sarah und Michelle nicht beschwert, dass ihr Vater ab und zu nicht zur Verfügung steht. Aber du bist ein guter Vater, du kümmerst dich um sie, du kleidest sie ein, du hörst ihnen zu, wenn sie Probleme haben, und du zeigst ihnen vor allem immerwieder, wie sehr du sie liebst. Das ist mehr, als viele Eltern zu geben bereit sind. Denk mal drüber nach.«
    »Und trotzdem glaub ich manchmal, es ist nicht genug. Na ja, man kann nicht alles haben.«
    »Soll ich mal eine Liste machen, an wie vielen Abenden und Nächten du im letzten Jahr nicht zu Hause warst? Das waren maximal zwanzig Tage. Selbst wenn du Bereitschaft hattest, warst du fast immer zu Hause. So, und jetzt finito. Du kannst ja hier bleiben und mit uns zu Abend essen. Ist garantiert besser als der Fraß vom Pizzaservice«, sagte Brandts Vater und klopfte ihm auf die Schulter.
    Er tat, als würde er überlegen, und sagte schließlich: »Einverstanden. Und nachher genehmigen wir uns noch ein kühles Blondes?«
    »Klar.«
    Brandt fasste sich an die Stirn. »Mensch, beinahe hätt ich’s vergessen. Die Uhr, die du mir gestern mitgegeben hast, ich hab sie dem Uhrmacher gezeigt. Weißt du eigentlich, was die wert ist?«
    »Nein, woher denn? Hat mich auch nie interessiert.«
    »Na gut, dann behalt ich’s für mich«, sagte Brandt grinsend und wollte an seinem Vater vorbei wieder zu seiner Mutter und Michelle gehen, doch der verstellte ihm den Weg.
    »Stopp, nicht so schnell. Raus mit der Sprache, was ist sie wert?«
    »Was hat der gleich noch mal gesagt … Irgendwas zwischen dreißig und vierzig. Nicht der Rede wert.«
    »Was zwischen dreißig und vierzig?«, fragte BrandtsVater mit zusammengekniffenen Augen, den Kopf leicht geneigt.
    »Na ja, halt zwischen dreißig und vierzig … tausend. Euro. Er wird sie reparieren.«
    »Wie viel?« Ungläubiges Staunen.
    »Du hast schon richtig gehört. Sattes Sümmchen, was?«
    »Meinst du, der kann das beurteilen?«
    »Darauf kannst du wetten. Wenn sich einer mit Uhren auskennt, dann er. Ich sag dir, du müsstest diesen Caffarelli kennenlernen. Der Mann hat was an sich, das ist einfach unbeschreiblich. Aber komm doch mit, wenn die Uhr fertig ist, und mach dir selbst ein Bild von ihm. Ich wette, so jemanden hast auch du noch nie getroffen.«
    »Mal schauen.«
    »Du glaubst mir nicht, oder?«
    »Natürlich glaub ich dir. He, es ist Essenszeit. Wir können ja nachher noch ein bisschen schwätzen.«
    Sie nahmen ein ausgedehntes Abendessen ein, unterhielten sich wie immer angeregt dabei und merkten gar nicht, wie die Zeit verging. Michelle half ihrer Großmutter beim Abräumen des Tisches, während Brandt es sich mit seinem Vater vor dem laufenden Fernseher gemütlich machte. Michelle und Brandts Mutter gesellten sich ebenfalls zu ihnen, und Brandt fühlte sich einfach nur wohl. Die Männer tranken Bier, während die Frauen sich mit Saft begnügten. Es war fast zweiundzwanzig Uhr, als sein Handy klingelte. Er schaute verwundert auf das Display, die Nummer war unterdrückt.
    »Ja?«, meldete er sich.
    »Herr Brandt?«, sagte eine weibliche Stimme, die er nur zu gut kannte.
    »Am Apparat.«
    »Müller hier. Sie haben doch gesagt, ich könne Sie jederzeit anrufen. Es tut mir leid, dass es so spät ist, aber es geht um meinen Mann. Er möchte Ihnen etwas mitteilen. Wäre es möglich, dass Sie herkommen?« Sie klang besorgt.
    »Ich bin in etwa zwanzig Minuten bei Ihnen«, sagte Brandt und steckte das Handy ein. Und zu seinem Vater: »Du hast vorhin recht gehabt, ich meine, wenn mein Telefon um zehn oder elf klingelt. Ich muss nach

Weitere Kostenlose Bücher