Schrei der Nachtigall
ungewöhnlich.«
»Und weiter?«
»Was, und weiter?«
»Was hast du für eine Antwort bekommen?«
»Seine Tochter hat gesagt, ich weiß nicht, wer von den beiden dran war, dass er mit dir aus ist. Na ja, so hab ich mir eben meinen Reim drauf gemacht.«
»Und da warst du erst mal von den Socken. Und du warst sauer auf mich, weshalb du dich auch eine ganze Weile nicht gemeldet hast.«
Der Kellner kam an den Tisch und hielt eine Flasche Wein in der Hand. »Ich habe tatsächlich noch eine Flasche ausfindig machen können. Soll ich sie öffnen?«
»Bitte.«
Nachdem er den Korken gezogen hatte, fragte er: »Möchten Sie die Flasche gleich hier am Tisch behalten?«
»Gerne. Wenn Sie bitte einschenken würden«, sagte Andrea lächelnd.
»Bei diesem exzellenten Wein würde ich an Ihrer Stellenoch einen Moment warten, bis er sein volles Bouquet entfaltet hat. Haben Sie schon gewählt?«
»Nein, wir sind noch dabei. Ich rufe Sie. Und danke für Ihre Mühe.«
»Gern geschehen.«
Als der Kellner fort war, sagte Elvira: »Ich war schon ein bisschen überrascht, aber das war nicht der Grund, weshalb ich mich so lange nicht gemeldet habe. Ich hatte in letzter Zeit einfach unglaublich viel um die Ohren. Ich brauche dringend Urlaub, ich habe das Gefühl, mein ganzes Leben dreht sich nur noch um Arbeit.«
»Das ist dein Problem, du kannst eben nicht abschalten. Und, wenn ich das von Freundin zu Freundin so sagen darf, du bist manchmal einfach zu hart, andern, aber auch dir selbst gegenüber … Wie soll ich’s dir bloß erklären, ohne dass du beleidigt bist. Bist du beleidigt?«
»Nein, raus damit.«
»Du bist manchmal wie deine Paragraphen, steif und unbeweglich. Und deshalb machst du dir das Leben oft unnötig schwer. Verstehst du, was ich meine?«
»Schon, aber diese Welt ist eine Männerwelt, wo du als Frau nur eine Chance hast, wenn du ihnen Paroli bietest. Was glaubst du, wie oft ich mit Vorurteilen zu kämpfen habe. Die meisten sehen in mir keine Staatsanwältin, sondern nur ein hübsches Blondchen, das sie am liebsten flachlegen würden …«
»Ach komm …«
»Jetzt lässt du mich ausreden. Ich bin die einzige Staatsanwältin in Offenbach, der Rest wird von den Männern beherrscht. Was glaubst du, was mir schon für Angebotegemacht wurden? Ein Oberstaatsanwalt, dessen Namen ich besser für mich behalte, hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm Urlaub auf Hawaii zu machen. Da war ich gerade mal eine Woche in Offenbach tätig. Diesem … Arschloch … hab ich’s aber gegeben, das kannst du mir glauben. Seitdem versucht der mich runterzumachen, wo er nur kann.«
Andrea sagte ernst: »Vielleicht hast du’s einfach falsch angestellt. Ist er verheiratet?«
»Ja.«
»Wusstest du das da schon?«
»Ja, warum?«
»Na ja, ich hätte ihm mit meinem charmantesten Lächeln gesagt: Ich nehme Ihr Angebot gerne an, da kann ich auch gleich Ihre Frau kennenlernen.«
»Du bist ja auch nicht auf den Mund gefallen. Außerdem ist das jetzt sowieso zu spät. Aber das sind Tatsachen, ich erleb das fast jeden Tag. Selbst manche Angeklagte nehmen mich nicht für voll, nur weil ich nicht wie ein typischer Bürohengst oder besser gesagt wie eine Bürostute aussehe. Aber dafür kann ich doch nichts.«
»Und dann fährst du die Krallen aus.«
»Was bleibt mir denn anderes übrig? Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«
»Wie? Keine Ahnung. Ich kann dir nur sagen, wo. In der Rechtsmedizin. Ich fand ihn ganz nett und er mich wohl auch, tja, und so ist es passiert. Auf dein Wohl«, sagte Andrea, schenkte ein und hob ihr Glas.
»Auf unser Wohl. Und auf unsere Freundschaft.« Sie nahmen einen Schluck und stellten die Gläser wieder hin.»Aber das mit dem ganz nett ist ja wohl leicht untertrieben. Habt ihr vor zu heiraten?«
Andrea schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das ist noch kein Thema …«
»Ah, Betonung auf noch. Wann? Wenn du schwanger bist?«, fragte Elvira mit einem gewissen Funkeln in den Augen.
»Quatsch! Wir sind zusammen, ich mag Peter sehr, und das war’s auch schon.«
»Aber wie kommst du damit zurecht, dass er zwei Töchter hat, die fast deine Schwestern sein könnten?«
»Ich bitte dich, ich bin dreiunddreißig und Sarah ist fünfzehn, ich könnte sehr wohl ihre Mutter sein. Und ich verstehe mich hervorragend mit Sarah und Michelle. So, mir knurrt allmählich der Magen. Was nimmst du?«
»Du weichst aus«, sagte Elvira und blätterte wieder in der Karte.
»Wenn du meinst. Aber wenn
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