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Schrei in der Nacht

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Wasserhahn ab.
      Fallon setzte sich auf einen Stuhl am Tisch und fragte
überrascht: »Woher wußten Sie, wer ich bin?«
    »Ich erkannte Sie an Ihrer
Narbe«, antwortete sie. »Sie kamen vor etwa zehn Jahren
eines Nachts in die Wohnung meines Vaters getaumelt, mit einer bis auf
die Knochen klaffenden Gesichtswunde. Er hat sie Ihnen genäht,
weil Sie keinen Arzt aufsuchen durften.« Sie wandte sich ihm
wieder zu, mit einem Handtuch in der Hand, und prüfte die Narbe.
»Er hat nicht besonders gut gearbeitet, nicht wahr?« fragte
sie noch.
      »Oh, gut genug«, erwiderte Fallon.
»Jedenfalls bin ich nicht der Polizei in die Hände
gefallen.«
      Sie nickte. »Sie und Philip Stuart haben vor dem
Krieg zusammen am Queens College studiert, nicht wahr?« Fallon
starrte sie überrascht an und fragte: »Sie kennen Phil
Stuart?«
      Das Mädchen lächelte leicht und setzte
Tassen auf den Tisch. »Er schaut ab und zu einmal vorbei; er
wohnt nämlich nur ein paar Straßen weiter. Sie wissen doch,
er ist hier Kriminalinspektor.«
      Fallon ließ sich mit einem hörbaren Seufzer
auf seinen Stuhl zurückfallen und preßte heraus:
»Nein, das wußte ich nicht.«
      Während sie den Tee eingoß, erzählte
sie weiter: »Mein Vater pflegte zu sagen, er empfände es als
eine Ironie des Schicksals, daß Stuart zur Polizei gegangen sei
und Sie sich der anderen Seite angeschlossen hätten. Er sagte mir
einmal, daß Sie beide die ganze Geschichte Irlands
verkörperten.«
      Fallon bot ihr eine Zigarette an und lächelte
dann traurig. »Wie recht er hatte«, meinte er, starrte in
die Ferne, zurück in seine Vergangenheit, und fuhr langsam fort:
»Ihr Vater war ein bemerkenswerter Mann. Er beschützte mich,
wenn ich gesucht wurde, und er verbrachte oft seine Nacht mit dem
Versuch, mich über meine Irrtümer aufzuklären.« Er
lachte gezwungen und richtete sich in seinem Stuhl auf. »Aber er
fand auch bei Stuart eine Menge Irrtümer. Der arme Philip –
wenn er geahnt hätte, was hinter seinem Rücken
vorging.«
      Anne Murray nippte an ihrem Tee und fragte ruhig: »Was wollten Sie eigentlich heute von meinem Vater?«
    Achselzuckend antwortete Fallon.
»Nichts Besonderes. Nur etwas plaudern. Schließlich habe
ich ihn ja einige Jahre nicht gesehen.«
      »Richtig; er war nicht einmal sicher, ob Sie
überhaupt noch am Leben seien. Er meinte, Sie hätten bestimmt
geschrieben, wenn Sie noch lebten.«
      Fallon schüttelte den Kopf und erklärte:
»Ich hatte mich selbst begraben – in der Wildnis von
Cavan.« Grinsend goß er sich seine Tasse erneut voll Tee
und fuhr fort: »Um offen zu sein: Ich wollte ein neues Leben
beginnen. Ich habe Leib und Seele beisammengehalten, indem ich ein paar
billige Romane heruntergerattert habe. Ich besitze eine Hütte,
vielleicht eine halbe Meile von der Grenze entfernt; das ¡st
ziemlich erholsam.«
      Sie lachte glucksend, tief hinten in der Kehle, und
entgegnete: »Das glaube ich Ihnen. Aber haben Sie einen Ersatz
gefunden, der an die Stelle jener anderen Tätigkeit treten
konnte?«
      Ihm wurde plötzlich etwas unbehaglich zumute, und
mit einem gezwungenen Lachen fragte er: »Welcher anderen
Sache?«
      »Jener Sache, die aus Ihnen das gemacht hat, was
Sie sind, und die Sie dazu gebracht hat, Ihr Leben so zu führen,
wie Sie es all die Jahre über taten.«
      Er erhob sich und ging einige Male ruhelos im Raum auf
und ab. Das Mädchen war mit seiner Frage der Wahrheit sehr nahe
gekommen. Nach einer Weile drehte er sich um und fragte ablenkend:
»Übrigens, was machen Sie hier? Ich hätte nicht
geglaubt, daß Sie schon so erwachsen seien. Hatte Sie nicht Ihr
Vater zu irgendeiner Tante nach England geschickt, nachdem Ihre Mutter
gestorben war?«
      »Ja«, antwortete sie. »Später
war ich in einem Internat und danach im Guy Hospital in London. Ich bin
Krankenschwester«, setzte sie einfach hinzu.
    Er nickte. »Sie kamen wohl zum
Begräbnis nach Hause?« Sie schüttelte den Kopf.
»Ich war schon einige Tage vor seinem Tode hier. Jetzt bin ich
nur geblieben, um den Verkauf des Hauses zu regeln. Eine Menge
Möbel sind schon weg.« Sie schüttelte sich
plötzlich und fuhr fort: »Ich möchte nichts davon
behalten. Ich will alles loswerden und wieder abfahren.«
      Zum erstenmal las er in ihren Augen Trauer, und er
legte ihr zart die Hand auf die Schulter. Einige kurze Augenblicke lang
waren sie beide durch ein starkes Band von Sympathie verbunden; dann
bewegte sie sich etwas, und er

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