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Schrei in der Nacht

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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nahm seine Hand wieder fort. Sie schaute
auf und fragte ruhig: »Weshalb sind Sie gekommen, Fallon? Wollen
Sie wieder das alte Spiel anfangen?«
      Lange sahen sie sich fest in die Augen; dann seufzte
er tief, ging zum Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
»Ja, ich will wieder das alte Spiel beginnen!« antwortete
er fest.
      Sie nickte ohne Überraschung und starrte wie in
tiefer Überlegung in irgendeine abstrakte Ferne. Nach einer Weile
fragte sie: »Aber warum wollen Sie das? Ich verstehe Sie nicht.
Weshalb kommen Sie nach all diesen Jahren wieder zurück?«
      Er schüttelte mehrere Male den Kopf. »Ich
weiß es selbst nicht. Wirklich, ich weiß es nicht. Erst
habe ich geglaubt, daß ich es für eine alte Frau tue, die
schon genug gelitten hat, aber jetzt bin ich nicht mehr so ganz sicher.
Vielleicht ist es eine Art Drang zur Selbstvernichtung. Weshalb habe
ich schließlich früher ein solches Leben geführt? Ich
glaube, nicht nur allein Irlands wegen.«
      Das Mädchen stand auf und trug die Tassen zum
Spülbecken. Dort blieb sie eine Sekunde stehen, wandte sich dann
um und sagte: »Ich weiß nur das, was mein Vater mir von
Ihnen gesagt hat: daß Sie ein anständiger Mensch seien, der
sich selbst ruiniere, und daß Sie Ihren Verstand
vergeudeten.« Sie schüttelte langsam den Kopf und
wiederholte dann noch einmal traurig: »Sinnlos
vergeudeten.«
    In diesem Augenblick schrillte die
Türglocke, und die Wellen dieses Mißklanges unterbrachen die
Stille, die ihren Worten gefolgt war.
      Eine Sekunde lang blickten sich beide betroffen an;
dann öffnete sie die Tür und ging den dunklen Flur entlang.
Gleich darauf kam sie wieder zurück und stieß atemlos
hervor: »Es ist Philip Stuart! Ich kann ihn durch das
Seitenfenster sehen.«
      Fallon erschrak, und ein merkwürdiger Schwindel
ließ ihn kurz wanken. Er taumelte und verlor fast das
Gleichgewicht. Doch eine Sekunde später war er wieder kalt und
ruhig. Seine Hand fuhr in den Mantel, und als sie wieder erschien,
hielt sie die Pistole umklammert. »Was will er?« fragte er
das Mädchen, und seine Stimme war eiskalt.
      Das Mädchen faßte nach seiner Faust und
drückte die Waffe herunter. »Das gibt es hier nicht«,
sagte sie angstvoll und erklärte dann hastig: »Stuart
betreibt für mich den Verkauf dieses Hauses, und da er sehr viel
zu tun hat, kann er nur dann zu mir kommen, wenn er mal frei
hat!« Einen Augenblick lang leistete Fallon Widerstand; doch dann
näherte sie ihr Gesicht dem seinen und wiederholte eindringlich:
»Stecken Sie die Pistole weg!«
    Fallons gespannte Haltung lockerte sich; er steckte die Pistole
    zurück in das Schulterhalfter und murmelte: »Entschuldigung…«
      Das Mädchen ergriff ihn am Arm und führte
ihn durch das Zimmer zu einer zweiten Tür. Als sie diese
öffnete, sah er eine Treppenflucht vor sich. »Gehen Sie hoch
bis zum Treppenabsatz«, erklärte sie ihm. »Der erste
Raum links ist mein Schlafzimmer; dort können Sie bleiben, bis ich
Sie hole.« Er wollte etwas entgegnen, aber die Türglocke
erscholl wieder. Das Mädchen stieß ihn schnell zur Tür
hinaus, warf ihm seinen Hut und Mantel nach und schloß dann die
Tür.
    Er fand ihr Zimmer ohne Schwierigkeiten.
Ein Bett und ein alter Kleiderschrank waren das einzige Mobiliar;
einige Koffer standen an der Wand. Fallon setzte sich auf die Kante des
Bettes; seine Hände zitterten, und wenig später wurde sein
ganzer Körper von einem heftigen Schütteln ergriffen. Er
ließ sich nach hinten auf die Kissen fallen, preßte die
Hände gegeneinander und schloß die Augen. Ein Schluchzen
stieg in seiner Kehle auf. »Ich habe Angst«, sagte er
halblaut vor sich hin. »Ich war zu Tode erschrocken, vorhin. Ich
habe die Nerven verloren.« Er lag da auf dem Bett, sein
Körper zuckte, doch nach einer Weile fühlte er sich
plötzlich müde werden. Der Raum war still und ruhig, und ein
leichter Duft von Weiblichkeit, der von dem Mädchen
herrührte, haftete an dem Bett. Langsam ließ die Spannung in
ihm nach. Es war ihm, als ob das Mädchen um ihn sei, und dann
begann die Müdigkeit zu wirken; der Kopf sank ihm zur Seite, und
sein Bewußtsein versank in Dunkelheit.
      Als er später aus seinem traumlosen Schlaf
erwachte, lag er zunächst eine Weile da, starrte zur Decke und
konnte sich nicht erinnern, wo er sich befand. Schließlich wurde
er sich aber seiner Lage bewußt, ließ die Füße
vom Bett gleiten und schaute auf seine Uhr. Es war fast Mittag. Er
fluchte vor

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