Schrei in der Nacht
befestigt – man zieht an der Schnur, und schon geht
die Granate hoch.«
Fallon runzelte die Stirn. »Um Gottes willen,
zieh jetzt nicht an der Schnur!« In seiner Stimme lag offene
Gereiztheit, und er machte nicht den Versuch, sie zu verbergen. Er
hatte langsam genug von Patrick Rogan.
Der kleine Mann zuckte die Schultern und
schrie völlig unbekümmert: »Was ist denn los? Sie
wollen mir doch nicht weismachen, daß der große Martin
Fallon schwache Nerven hat?« Bösartig hob er ein Stück
von dem Segeltuch auf. »Hier, das ist unser bestes Material
– Plastik-Sprengstoff! Der ist sogar wasserfest! Seinerzeit, als
ich ihn oft benutzte, habe ich damit eine ganze Menge Kunststücke
vollbracht!«
Fallon starrte ihn voller Widerwillen an. Es war etwas
Unsauberes an Rogan, fast etwas Gemeines. »Mein Gott, halt
bloß deinen Mund, wenn das alles ist, was du zu sagen
hast«, meinte er kalt und legte sich erneut auf seine Decke.
Der Rest des Tages verging langsam. Die beiden
Männer sprachen nur miteinander, wenn es unbedingt nötig war.
Rogan lief auf und ab über den Steinfußboden und wurde immer
ungeduldiger, je mehr sich der Tag neigte. Fallon schlief bis zum
Nachmittag durch, und als er erwachte, brach der Abend an. Er warf
einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Es war fast fünf Uhr.
Rogan stand an dem Eisengitter und starrte hinaus auf den Friedhof.
»Wie ist das Wetter?« erkundigte sich Fallon.
Der kleine Mann antwortete, ohne sich umzudrehen:
»Schrecklich! Ich glaube nicht mehr, daß es noch einmal zu regnen aufhört.«
Der Raum schien kleiner zu werden, als die Schatten
länger wurden. Fallon erhob sich, ging zur Tür und
öffnete sie vorsichtig. Der Regen rauschte aus den bleiernen
Wolken und prasselte unaufhörlich auf die Gräber. Fallon
steckte sich eine Zigarette an, stand auf und schaute über die
Grabsteine hinweg zu der Mauer hinüber, die in der Dämmerung
kaum mehr zu erkennen war. Die meisten der Gräber waren
verwildert, mit Gras und Unkraut überwuchert, und ihn, Fallon,
erfüllte eine schreckliche Traurigkeit über die Leere und
Nutzlosigkeit des Lebens.
Dann kreischten plötzlich rostige Angeln, die
Pforte in der Mauer wurde aufgestoßen, und Murphy eilte in wilder
Hast zwischen den Grabsteinen hindurch auf die Kirche zu.
Fallon öffnete die Tür, und der Junge schlüpfte herein. Sein
Gesicht war weiß vor Aufregung. »Großer Gott,
Mr. Fallon! Ich habe noch niemals so viele Polypen wie heute gesehen.
Die Stadt wimmelt von ihnen!« – »Hast du noch neue
Zeitungen mitgebracht?« fragte Fallon ruhig.
Der Junge nickte und holte eine aus seiner Tasche. Sie
enthielt nichts Neues. Ihr Fall war jetzt zur Schlagzeile geworden.
Zwei Bilder von Fallon und Rogan waren auf der ersten Seite
nebeneinander abgebildet. Das von Fallon jedoch war nicht besonders gut
getroffen, und er grunzte vor Genugtuung. Dann reichte er Rogan die
Zeitung hinüber und setzte gedankenvoll hinzu: »Ich wundere
mich nur, warum sie die gesamte Polizei in Castlemore konzentriert
haben. Ich hätte eigentlich damit gerechnet, daß sie die
Umgebung durchkämmen würden.«
Rogan entwischte ein Fluch. »Das hat dieser
Bastard Stuart angeordnet!« schrie er. »Der gerissene
Fuchs. Den werde ich noch umbringen, bevor ich drüben bin.«
»Um Gottes willen, hör damit auf und
laß uns das Wichtigste beraten«, herrschte Fallon ihn an.
Plötzlich aber streifte seinen Nacken ein kalter Luftzug, als die
Tür hinter ihm geöffnet wurde, und während Fallon sich
langsam umdrehte, fragte eine Stimme: »Was geht hier vor? Was
soll das heißen?«
Ein kleiner, verrunzelter alter Mann mit
Priesterkragen und einem schäbigen schwarzen Regenmantel stand in
der Tür. Eisige Stille antwortete ihm. Doch plötzlich wurden
seine Augen groß; er hatte sie erkannt. »Fallon«,
preßte er heraus. »Fallon und Rogan.« Entschlossen
trat er an ihnen vorbei an das Bett und erblickte dort die Kisten mit
dem Sprengstoff. Einen Augenblick blieb er mit gebeugtem Haupt stehen,
doch dann wandte er sich um, und in seiner Stimme lag Schmerz und Zorn,
als er rief: »Was untersteht ihr euch! Wie könnt ihr es
wagen, für eure schmutzige Sache ein Gotteshaus zu
mißbrauchen! Revolverhelden, Mörder!«
»Um Gottes willen, Pater…!« begann Fallon, aber der alte
Mann schnitt ihm das Wort ab.
»Ich werde die Polizei anrufen!« Seine
Stimme wurde eiskalt, aber er zitterte vor Wut am ganzen Körper.
»Das wird euch
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