Schrei in der Nacht
aber
Murphy rang mit ihm und schrie: »Laufen Sie, Mr. Fallon! Laufen Sie!«
Die beiden verwandelten sich sofort in ein wirres
Knäuel kämpfender, zuckender Glieder, und Rogan benutzte
dies, um über die Straße zu rennen und in einer anderen
Seitenstraße zu verschwinden. Fallon sprang den Kämpfenden
aus dem Wege, und als der Polizist obenauf lag, trat Fallon ihm mit dem
Fuß seitlich gegen den Hals. Der Mann fiel stöhnend zur
Seite; Fallon stellte Murphy auf die Füße und zog ihn dann
über die Straße. Die Zuschauer, die sich eingefunden hatten,
zerstreuten sich wieder, und Fallon tauchte mit dem Jungen in die
Dunkelheit der Seitenstraße unter.
Als sie sich dem Ende dieser Straße
näherten, erblickten sie Rogan, der fluchtbereit unter einer
Laterne stand. »Ich glaubte, ihr wärt dicht hinter mir
gewesen. Wo habt ihr gesteckt?« fragte er.
Einen Augenblick lang war Fallon versucht, Rogan die
Faust ins Gesicht zu setzen; doch dann unterdrückte er diese
Regung und fragte Murphy: »Alles in Ordnung?«
»Ja, ich bin heil geblieben«, erwiderte
der Junge. »Er hat mich nicht getroffen.« Hinter ihnen
drang schwach eine Polizeipfeife durch den Wind, und am Ende der Gasse
bog ein Wagen um die Ecke. »Wohin jetzt?« fragte Fallon.
»Immer hinter mir her«, stieß Murphy hervor. »Wir haben noch immer eine Chance.«
Er lief die Straße entlang und bog
dann in eine andere Gasse ein. An deren Ende erhob sich eine niedrige
Mauer, und als Fallon sich darüber neigte, konnte er das Murmeln
von Wasser hören. Murphy ließ sich an der Mauer herunter und
sprang mit einem Aufklatschen in das Wasser. Fallon und Rogan folgten
ihm. Das Wasser war eiskalt und knietief. Rogan fluchte, aber Fallon
gebot ihm scharf, ruhig zu sein. Dann tippte er dem Jungen auf die
Schulter. »Wir sind soweit.« Murphy nickte und begann im
Flußbett entlangzuwaten.
Auf beiden Seiten zogen sich Ziegelwände entlang,
und einmal mußten sie sich durch einen engen Tunnel zwängen,
der sich etwa vierzig oder fünfzig Meter weit erstreckte. Ein
stechender Abwassergeruch stieg von dem Fluß auf, und Fallon
rümpfte angeekelt die Nase. Er konnte sich vorstellen, wofür
der Fluß normalerweise gebraucht wurde. Schweigend wateten sie
eine halbe Stunde lang dahin, und die Geräusche der Verfolger
blieben hinter ihnen zurück. Nur noch der Regen plätscherte
in das Wasser, während sie sich vorwärtskämpften.
Schwach scholl aus der Ferne Verkehrslärm herüber, und eine
Kirchenglocke begann die Stunde zu schlagen. Schließlich blieb
Murphy stehen. »Hier wollen wir wieder hochklettern.«
Das war nicht sehr schwierig: In der Wand, die sehr
niedrig war, fehlten verschiedene Ziegel. Oben erhob sich zwar noch ein
Zaun, aber der hatte Lücken, durch die sie kriechen konnten. Und
dann fanden sie sich in einer ruhigen Wohnstraße. Murphy
führte sie, bis sie zu einem kleinen Laden an einer Ecke kamen. An
der einen Seite befand sich ein Eingang, der auf einen winzigen Hof
führte. Sie bogen in diesen Torweg ein und blieben vor einer
Tür stehen. »Wo sind wir?« fragte Fallon.
Der Junge grinste. »Vor meiner Wohnung.«
Fallon wollte protestieren, aber Murphy setzte rasch hinzu: »Wir
können nirgendwo mehr hin und haben keine andere Wahl.«
Hinter ihnen drängte Rogan: »Um Himmels
willen, laßt uns doch endlich eintreten.« Murphy
öffnete daraufhin die Tür, und sie traten in eine winzige
Küche ein.
Ein junges, hübsches Mädchen
mit energischem Gesicht stand am Waschbecken, die Arme naß bis zu
den Ellbogen und wandte sich nach ihnen um. »Johnny!«
stieß sie überrascht hervor, während sie sich mit einem
Handtuch abzutrocknen begann. »Wo hast du gesteckt?« Ihre
Blicke blieben an ihren nassen Hosenbeinen haften, von denen das Wasser
auf den Fußboden rann.
Murphy räusperte sich nervös. »Wir
hatten einen kleinen Unfall, Kathleen. Diese Herren sind Freunde von
mir.«
»Freunde!« unterbrach sie ihn, trat
langsam vor und musterte Fallon. Plötzlich wechselte ihr
Gesichtsausdruck; sie wurde blaß und stammelte:
»Großer Gott, Sie sind Martin Fallon!« Einen
Augenblick lang schien es, als ob sie umsinken wolle, doch dann gewann
sie ihre Haltung wieder. Sie drehte sich zu ihrem Bruder um und fuhr
ihn an: »In welche Sache hast du Dummkopf dich jetzt wieder
eingelassen?«
»Um Himmels willen, Kathy, fang jetzt nicht an
zu streiten!« beschwor Murphy sie. »Es geht um Leben und
Tod; die Polizei kämmt
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