Schrei in der Nacht
wieder. »Wißt ihr noch, wie wir damals mit dem Flugzeug geflogen sind, und es hat euch so prima gefallen? Bald fliegen wir wieder in eine große Stadt.«
Erich kam in die Küche. »Wovon sprichst du?”
»Ich erzähl’ ihnen von der Reise nach Houston, wieviel Spaß wir haben werden.«
»Du lächelst, Jenny. Weißt du, wie lange es her ist, seit du das letztemal so glücklich ausgesehen hast?«
»Zu lange.«
»Tina, Beth, wollt ihr mitkommen zum Laden? Daddy kauft euch ein Eis.«
Beth hielt Jennys Arm fest. »Ich möchte lieber bei Mami bleiben.«
»Ich auch!« rief Tina.
»Dann fahre ich auch nicht«, sagte Erich.
Er schien es nicht gern zu sehen, daß sie mit den Kindern allein war.
Am Abend des Fünften packte sie. Sie nahm nur das, was sie für drei Tage vertreten konnte. »Welchen Pelz soll ich mitnehmen, den Mantel oder die Jacke?« fragte sie Erich. »Was für Wetter ist jetzt in Houston?«
»Ich denke, die Jacke wird reichen. Warum bist du so nervös, Jenny?«
»Ich bin nicht nervös. Ich bin nur so lange nicht mehr verreist. Brauche ich auch ein langes Kleid?«
»Vielleicht eines. Der Taftrock und die Bluse werden reichen. Vergiß das Medaillon nicht, es paßt so gut dazu.«
Hatte seine Stimme irgendeinen Unterton, spielte er mit ihr? Sie versuchte, natürlich zu klingen: »Eine gute Idee.«
Die Maschine ging um zwei in Minneapolis. »Ich habe Joe gebeten, uns zum Flughafen zu bringen«, sagte Erich.
»Joe!«
»Ja, er kann jetzt wieder arbeiten. Ich werde ihn wieder einstellen.«
»Aber Erich, nach all dem, was passiert ist.«
»Jenny, wir haben einen Strich darunter gemacht.«
»Nach all dem Gerede willst du ihn wieder einstellen!«
Sie biß sich auf die Lippe. Was für einen Unterschied machte es schon, wer hier sein würde?
Rooney sollte Mitte des Monats aus der Klinik entlassen werden. Sie hatten Clyde überredet, sie volle sechs Wochen dort bleiben zu lassen. Jenny wünschte, sie könnte sich von ihr verabschieden. Vielleicht könnte sie ja schreiben und den Brief Fran bei einem ihrer Flüge in einer anderen Stadt aufgeben lassen. Es gab nichts anderes, was sie tun konnte.
Endlich war es soweit. Die Mädchen hatten ihre Samtmäntel an und trugen die dazu passenden Mützen.
Jennys Herz klopfte bis zum Hals. Am ersten Abend in New York werde ich mit ihnen ins Village gehen und ihnen ein großes Spaghettidinner spendieren, dachte sie.
Vom Schlafzimmerfenster blickte sie zum Friedhof, konnte aber nur eine kleine Ecke davon erkennen. Sie war nach dem Frühstück schnell zum Grab des Babys gelaufen, zum Abschied zu nehmen.
Erich hatte das Gepäck im Wagen verstaut. »Ich hole jetzt Joe«, sagte er. »Kommt, ihr beiden. Gebt Mami die Chance, sich fertig anzuziehen.«
»Ich bin sofort fertig«, sagte sie. »Warte einen Moment, dann komm’ ich gleich mit.«
Er schien sie nicht gehört zu haben. »Beeil dich, Mami«, rief Beth, als sie und Tina hinter Erich die Treppe hinunterliefen. Jenny zuckte die Achseln.
Vielleicht war es gut, daß ihr noch fünf Minuten blieben, um nachzusehen, ob sie etwas vergessen hatte. Das Geld vom Medaillon war in der Innentasche der Kostümjacke, die sie mit dem Rock eingepackt hatte.
Auf dem Weg nach unten warf sie noch schnell einen Blick in das Zimmer der Mädchen. Elsa hatte die Betten gemacht und aufgeräumt. Der Raum wirkte so schrecklich ordentlich und irgendwie leer, als spüre er, daß die Mädchen nicht zurückkommen würden.
Ob Erich das auch so empfunden hatte?
Sie wurde plötzlich unruhig, lief nach unten, zog ihre Jacke an. Erich mußte jeden Augenblick wieder da sein.
Zehn Minuten später trat sie auf die Veranda. Ihr war furchtbar warm geworden. Warum war er noch nicht da?
Er fuhr doch sonst immer rechtzeitig ab, daß er mindestens eine halbe Stunde vor dem Abflug seiner Maschine auf dem Flughafen war. Sie starrte zur Straße und kniff die Augen zusammen, um den Wagen schon in der Ferne zu erkennen.
Nach einer halben Stunde rief sie bei Ekers’ an. Ihre Hände bebten. Zweimal verwählte sie sich und mußte wieder auflegen.
Maude nahm ab. »Ob sie schon abgefahren sind? Was meinen Sie damit? Ich habe Ihren Mann vor vierzig Minuten mit den Mädchen vorbeifahren sehen… Joe? Joe wollte sie nicht zum Flughafen bringen. Wie kommen Sie darauf?«
Erich war ohne sie gefahren. Er hatte die Mädchen mitgenommen und war ohne sie gefahren. Das Geld war in dem Gepäck im Auto. Er mußte irgendwie gemerkt haben, was sie vorhatte.
Sie
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