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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sind.«
    Jenny verlor die Beherrschung. »Das kannst du nicht machen! Ich werde die Polizei alarmieren. Es sind meine Kinder. Du kannst sie nicht einfach entführen.«
    »Sie gehören mir genausogut wie dir. Ich bin nur mit ihnen verreist. Ich habe dich gewarnt, daß es in ganz Minnesota keinen Richter gibt, der sie dir zusprechen würde. Ich habe eine Stadt voller Zeugen, die beschwören würden, was für ein vorbildlicher Vater ich bin. Jenny, ich liebe dich so sehr, daß ich dir eine Chance gebe, mit ihnen zusammen zu leben und versorgt zu werden. Aber treib es nicht zu weit. Auf Wiedersehen, Jenny. Ich melde mich wieder.«
    Jenny starrte auf den Hörer in ihrer Hand. Der Funke Zuversicht, den sie in sich entfacht hatte, drohte zu erlöschen. Gib auf, sagte etwas in ihr. Schreib das Geständnis. Lies es ihm vor. Bring es hinter dich.
    Nein. Sie preßte die Lippen zusammen und wählte Marks Nummer.
    Er nahm nach dem ersten Klingeln ab. »Garrett.«
    »Mark.« Warum traten ihr beim Klang der tiefen, warmen Stimme sofort Tränen in die Augen?
    »Jenny! Was ist los? Wo sind Sie?«
    »Mark, ich — könnten Sie… Ich muß mit ihnen reden.«
    Sie hielt inne, fuhr dann fort: Aber ich möchte nicht, daß jemand Sie hier sieht. Wenn ich über die Weiden im Westen gehe, könnten Sie mich dort irgendwo abholen?
    Es sei denn… Ich meine, es sei denn, Sie haben etwas anderes vor, dann entschuldigen Sie, daß ich…«
    »Warten Sie bei der Mühle. Ich bin gleich da.«
    Jenny ging ins große Schlafzimmer und knipste die Nachttischlampe an. Sie ließ eine Lampe in der Küche brennen, eine schwächere im Wohnzimmer. Sonst würde Clyde vielleicht stutzig, wenn es im ganzen Haus dunkel war.
    Sie verließ das Haus und hielt sich im Schatten des Stalls und der Heuhaufen. Hinter dem mit Schwachstrom geladenen Zaun sah sie die Umrisse der bei der Scheune liegenden Rinder. Sie konnten auf dem verschneiten Boden nicht mehr grasen und blieben die meiste Zeit in der Nähe der Stallungen, wo sie gefüttert wurden.
    Knapp zehn Minuten später war sie an der Mühle und hörte das leise Geräusch eines näherkommenden Wagens. Mark fuhr mit Standlicht. Sie trat vor und winkte. Er hielt, beugte sich zur anderen Seite und machte ihr die Tür auf.
    Er schien zu wissen, daß sie möglichst schnell weg von hier wollte. Er redete erst, als sie die Landstraße erreicht hatten. »Ich dachte, Sie wären mit Erich in Houston.«
    »Wir sind nicht gefahren.«
    »Weiß Erich, daß Sie mich angerufen haben?«
    »Erich ist nicht da. Er hat die Kinder mitgenommen.«
    Er pfiff vor sich hin. »Das hat Dad gleich…« Dann verstummte er. Sie spürte seinen Blick, war sich seiner gebräunten windgegerbten Haut, seines vollen, sandblonden Haars, der langen kräftigen Finger am Lenkrad bewußt. In Erichs Nähe war ihr neuerdings immer beklommen zumute; Marks bloße Anwesenheit genügte, um die Atmosphäre zu beleben. Mark hatte genau die entgegengesetzte Wirkung.
    Sie war nur ein einziges Mal in seinem Haus gewesen, und das war Monate her. Jetzt, am Abend, strahlte es die gleiche Behaglichkeit aus wie damals. Der Ohrensessel, dessen Samtbezug ein wenig abgescheuert war, stand nun am Kamin. Auf einem großen niedrigen Eichenholztisch vor dem bequemen Sofa lagen Zeitungen und Zeitschriften. Die Regale links und rechts vom Kamin waren voll von Büchern jeder Größe.
    Mark half ihr aus dem Mantel. »Das Leben auf der Farm scheint bei Ihnen nicht anzuschlagen«, sagte er.
    »Haben Sie schon zu Abend gegessen?«
    »Nein.«
    »Das hab’ ich mir gedacht.« Er schenkte zwei Gläser Sherry ein. »Meine Haushälterin hatte heute ihren freien Tag. Ich wollte mir gerade einen Hamburger machen, als Sie anriefen. Ich bin gleich wieder da.«
    Jenny setzte sich auf das Sofa, langte dann unwillkürlich nach unten, zog ihre Stiefel aus und nahm die Beine hoch. Sie und Nana hatten früher genauso ein Sofa gehabt. Sie wußte noch, wie sie sich an regnerischen Nachmittagen in eine Ecke gekuschelt und gelesen hatte.
    Die Stunden waren wie im Flug vergangen.
    Einige Minuten später kam Mark mit einem Tablett zurück. »Haute Cuisine a la Minnesota«, sagte er lächelnd.
    »Hamburger, Pommes frites, grüner Salat und Tomate.«
    Es roch köstlich. Jenny biß von ihrem Hamburger ab und wurde sich erst in diesem Augenblick bewußt, daß sie fast umkam vor Hunger. Sie wußte, daß Mark warten würde, bis sie von selbst anfing zu erklären, warum sie angerufen hatte. Wieviel sollte sie ihm

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