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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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erzählen? Würde er schockiert sein, wenn er hörte, was Erich alles über sie glaubte?
    Er saß in dem Ohrensessel, die Beine in ihre Richtung ausgestreckt, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt, und sah sie besorgt an. Es machte ihr nichts aus, daß er sie musterte. Im Gegenteil, es war merkwürdig beruhigend, so als ob er gerade untersuchte, was falsch lief, um dann alles ins Lot zu bringen. Bei seinem Vater hatte sie fast den gleichen Eindruck gehabt. Luke! Sie hatte gar nicht nach ihm gefragt. »Wie geht es Ihrem Vater?«
    »Schon besser, aber ich habe einen schönen Schreck bekommen. Schon ehe er nach Florida zurückflog, fühlte er sich nicht allzugut. Dann hatte er den Anfall. Aber er ist jetzt wieder zu Haus und sieht gut aus. Er hatte wirklich den Wunsch, daß Sie und die Kinder ihn besuchen, Jenny. Er möchte es immer noch.«
    »Ich freue mich, daß es ihm besser geht.«
    Mark beugte sich vor. »Erzählen Sie, Jenny.«
    Sie erzählte ihm alles, ohne den Blick von ihm zu wenden, sah, wie seine Augen sich einen Ton dunkler zu färben schienen, wie er die Brauen zusammenzog und die Lippen aufeinanderpreßte und wie sein Gesicht weicher wurde, als sie von dem Baby sprach und ihre Stimme zu versagen drohte.
    »Sehen Sie, ich kann verstehen, warum Erich denkt, ich hätte all diese furchtbaren Dinge getan. Aber jetzt glaube ich nicht mehr, daß ich es war. Das bedeutet, daß irgendeine andere Frau meine Rolle spielt. Ich war so sicher, daß es Rooney ist, aber sie kann es nicht sein.
    Jetzt frage ich mich… Glauben Sie, es könnte Elsa sein?
    Aber es scheint so weithergeholt, daß sie sich noch nach fünfundzwanzig Jahren rächen will. Erich war damals noch ein Kind…«
    Mark antwortete nicht. Sein Gesicht war jetzt beruhigt.
    »Sie denken doch nicht, daß ich so etwas tun könnte?«
    brach es aus ihr hervor. »Mein Gott, sind Sie wie Erich?
    Glauben Sie…«
    Der Nerv unter ihrem linken Auge begann zu zucken.
    Sie legte eine Hand aufs Gesicht, um das Zucken zu stoppen, fühlte dann, wie ihre Knie anfingen zu zittern.
    Sie beugte sich schnell vor und umschlang ihre Beine.
    Sie zitterte jetzt am ganzen Körper.
    »Jenny, Jenny.« Mark nahm sie in die Arme und hielt sie. Ihr Gesicht lag an seinem Hals. Seine Lippen waren auf ihrem Haar.
    »Ich könnte niemandem etwas zuleide tun. Ich kann doch nicht unterschreiben, daß ich… mein eigenes Kind…«
    Sein Griff wurde zunehmend fester. »Erich ist… labil.
    Oh, Jenny.«
    Lange Minuten vergingen, ehe das Zittern aufhörte. Sie versuchte, von ihm wegzurutschen. Sie fühlte, wie seine Arme sie freigaben. Wortlos sahen sie sich an, dann wandte sie den Kopf ab. Über der Rückenlehne des Sofas lag eine Wolldecke. Er legte sie ihr um und steckte sie fest. »Ich denke, wir könnten jetzt beide einen Kaffee gebrauchen.«
    Während er in der Küche hantierte, schaute sie auf das Feuer im Kamin, sah zu, wie das große Scheit zerfiel und sich allmählich in Glutstücke auflöste. Sie fühlte sich plötzlich unsäglich erschöpft. Aber es war eine andere Art von Müdigkeit, nicht verkrampft und betäubend, sondern entspannend, wie nach einem Wettrennen.
    Nachdem sie sich alles von der Seele geredet hatte, kam es ihr vor, als hätte sie einen Felsbrocken von ihren Schultern gewälzt. Sie horchte auf das Klappern der Tassen und Untertassen in der Küche, roch den frischen Kaffee, hörte seine Schritte zwischen dem Herd und den Hängeschränken, dachte daran, wie sich die Berührung seiner Arme angefühlt hatte.
    Als Mark mit dem Kaffee kam, war sie imstande, sachliche Bemerkungen zu machen, die dazu beitrugen, die emotional aufgeladene Atmosphäre zu entschärfen.
    »Erich weiß, daß ich nicht bei ihm bleibe. Sobald er mit den Mädchen wieder da ist, werde ich gehen.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie ihn verlassen wollen, Jenny?«
    »So schnell wie möglich. Aber zuerst muß ich ihn irgendwie dazu bringen, mit den Mädchen zurückzukommen. Es sind meine Kinder.«
    »Er hat insofern die Wahrheit gesagt, als er gesetzlich das gleiche Anrecht auf die Kleinen hat wie Sie. Er ist immerhin ihr Adoptivvater. Außerdem, Jenny — Erich bringt es meiner Meinung nach fertig, wer weiß wie lange mit ihnen fortzubleiben. Lassen Sie mich mit ein paar Leuten reden. Ich habe einen guten Bekannten, einen Anwalt, der auf Familienrecht spezialisiert ist.
    Aber seien Sie vorsichtig und widersprechen Sie Erich nicht, wenn er wieder anruft. Bringen Sie ihn um Gottes willen nicht in Zorn, und

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