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Schrei in Flammen

Schrei in Flammen

Titel: Schrei in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Øbro , Ole Tornbjerg
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»Kind« vor sich herunter. »Das ist ein sehr großer Unterschied. Und man darf nicht vergessen, dass wir damals noch nicht so viel wussten wie heute. Man hatte eine andere Auffassung davon, was gut für die Kinder ist. Zum Beispiel mussten sie sich damals nackt ausziehen, wenn ihre neuen Eltern kamen, um sie abzuholen. Stellen Sie sich das vor, das waren für die Kinder ja fremde Menschen, die sie höchstens ein paarmal kurz gesehen hatten. Das ist ein extrem kränkendes Erlebnis für das Kind. Darauf sind wir heute alles andere als stolz. Und das nur, damit sie die hübschen Sachen anziehen konnten, die ihre neuen Eltern mit den besten Absichten mitgebracht hatten. Daran, dass diese Sachen sich vielleicht steif und ungewohnt anfühlten und falsch rochen, hat niemand gedacht. Und die Kleider, die sie hier getragen hatten und die vertraut rochen, mussten sie zurücklassen. Das wird heute ganz anders gehandhabt. Wir sind uns heute nur allzu bewusst über die Bedeutung von Übergangsobjekten, und wenn die Kinder zu uns kommen oder uns verlassen, tragen sie ihre persönlichen Kleider. Auf jeden Fall Sachen, die sie kennen und die richtig riechen. Sie nehmen ihr eigenes Spielzeug mit und so weiter.«
    Katrine hatte einen Kloß im Hals. Karin Hansson lächelte sie mit schräg gelegtem Kopf an. Bestimmt war sie derartige Reaktionen der Besucher gewohnt. »Wir geben uns wirklich Mühe. Jeden Tag neu«, sagte sie. Plötzlich schien ihr etwas in den Sinn zu kommen, sie lächelte. »Jetzt erinnere ich mich wieder. Er hieß Christian.«
    »Christian?«
    Katrine war überzeugt, dass diese Frau sich an jedes einzelne Kind erinnerte, das jemals hier gelebt hatte. »Christian, und wie weiter?«
    »Christian hat den Nachnamen geändert. Er wurde von einem Ehepaar aus … wo kamen die noch gleich wieder her? Aus Skive, genau, und sie hießen Letoft mit Nachnamen.«
    »Christian Letoft«, sagte Katrine.
    »Ja, ich nehme an, dass er heute so heißt.«
    »Und sie waren aus Skive?«
    »Ja. Es ist immer noch die übliche Praxis, dass Kinder, die auf Seeland geboren wurden, nach Jütland adoptiert werden und umgekehrt.«
    »Erinnern Sie sich, wie es ihm damals erging? Ich denke dabei speziell daran, wie geschädigt er durch das, was er erlebt hatte, war?«
    »Christian war sehr introvertiert und wies in der ersten, langen Phase im Heim leichte Anzeichen von Bindungsstörungen auf. Möglicherweise war er wirklich, wie uns mitgeteilt wurde, wiederholt Zeuge von Übergriffen an seiner Mutter geworden.«
    »Und dann hat er mehrere Stunden in der Wohnung mit seiner toten Mutter zugebracht, wie ich aus dem Polizeibericht erfahren habe?«
    »Ja, so ist es«, antwortete Karin. »Und es hat lange, sehr lange gedauert, bis Christian sich hier jemandem angeschlossen hat. Nach etwa einem Jahr hatte er eine Beziehung zu einer Pädagogin aufgebaut, die damals hier arbeitete, Ingrid hieß sie. Sie war die Einzige, bei der er körperliche Nähe zuließ. Alle anderen wies er ab. Und dann kam er zu seinen Adoptiveltern.« Sie schaute einen Augenblick aus dem Fenster und schien sich zu erinnern. »Ich habe oft daran gedacht, wie es ihm wohl bei ihnen ergangen ist.«
    *
    Katrine verließ das Kinderheim, berührt von der Welt, die sich ihr eröffnet hatte. Hier wurde am Leben gearbeitet. Daran, das Beste aus jedem Menschen herauszuholen. Sie war bei ihrer täglichen Arbeit gedanklich immer nur mit dem Tod beschäftigt. Und in diesem Augenblick – ganz im Kontrast zu diesem Ort – erschien ihr ihr persönlicher Fokus düster und pessimistisch. Ihr Augenmerk war immer nur auf die schlechten Seiten im Menschen gerichtet. Natürlich wusste sie, dass das nicht die ganze Wahrheit war, sie arbeitete für die Gerechtigkeit. Gerechtigkeit für die Opfer von Verbrechen und die Hinterbliebenen. Auch darin lag ein Stück Hoffnung.
    Majas Halbbruder hieß also Christian Letoft. Katrine nahm ihren Laptop heraus, als sie wieder in ihrem Auto saß. Sie suchte nach Letoft und fand heraus, dass er Autohändler in Kopenhagen war und ein Haus am oberen Ende des Strandvej hatte, laut Karte auf der teureren Seite. Sie ging auf die Website von
Letoft Automobile,
auf der eine ausführliche Geschichte des stolzen Familienunternehmens stand. Arne Letoft hatte
Letoft Automobile
in Skive gegründet und später nach Kopenhagen verlegt, wo der Betrieb heute noch war. Vor fünf Jahren hatte sein Sohn Christian die Firma übernommen.
    Oben auf der Seite war ein Bild von Christian

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