Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Onlinehändlers«, erklärt der Geschäftsführer. So sieht es auch Dieter Holzer, Chef der Tom Tailor Group, die sowohl über Zalando als auch über eigene Onlineshops und klassische Läden am Markt ist: »Die Steuerung der Supply Chain sollte man ab einer gewissen Unternehmensgröße in der eigenen Hand halten. Die Logistik gehört für einen großen Onlinehändler einfach zum Kerngeschäft, jedenfalls für einen Pure Player.» Supply Chain ist der branchenübliche Begriff für Lieferkette.
Zu den Unterschieden bei der Bezahlung an den Zalando-Standorten will Magdalena lieber nichts sagen. »Arbeit ist o.k.«, meint sie nur. Dass das Fernsehen die Arbeitsbedingungen in der Zalando-Logistik heftig kritisiert hat – davon habe sie nichts gehört. Und nun müsse sie auch weiterarbeiten, sagt sie und verschwindet. Hat sie wirklich noch nichts von dem Film der ZDF-Reihe »Zoom« gehört, der hier am Drehort seit 2012 zumindest allen Managern noch in den Knochen steckt?
Die Kritik war harsch, das Image von Zalando hat dadurch gelitten. Über Nacht fand sich der fröhliche Newcomer im deutschen Handelsmarkt in der Schmuddelecke der menschenverachtenden Arbeitgeber wieder. Viel zu heiß sei es in der Halle, die Toilettencontainer seien unzumutbar, die Mitarbeiter müssten während der gesamten Schicht stehen, zudem gebe es zu wenig Spinde und vor allem keinen Betriebsrat, die Liste der Anschuldigungen im 30-Minuten-Film war lang. »Wir mussten feststellen, dass manche der Vorwürfe wirklich stimmten«, räumt Schröder ein. Viele Mängel seien sofort abgestellt worden.
Damit war den Leuten bei Zalando schlagartig klar geworden, dass sie jetzt nicht mehr das Start-up-Unternehmen waren, für das man sich nur am Rande interessierte, sondern eine Marke, die im Rampenlicht steht, und die auf eine kritische, manchmal überkritische Öffentlichkeit nicht vorbereitet war. Zumal das Unternehmen Tausende von Mitarbeiter beschäftigt, die Löhne bekommen, von denen sich mancher fragt, wie man von ihnen leben kann. Und die unter Bedingungen arbeiten, die nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig sind. Den ganzen Tag lang unter künstlichem Licht Pakete zu packen oder auszupacken, falls der Mitarbeiter in der Retourenabteilung gelandet ist, und durch die Gegend fahren, ist von Selbstverwirklichung doch ein gutes Stück entfernt.
Nur wenige Monate nach dem ZDF-Film sah sich Zalando erneut, zumindest am Rande, in der Kritik, nachdem die ARD eine Reportage über die Behandlung von osteuropäischen Saisonarbeitern im Weihnachtsgeschäft 2012 in der Amazon-Logistik gezeigt hatte. Es folgte öffentliche Empörung und ein Shitstorm im Internet mit Ankündigungen von Amazon-Kunden wie »Dort bestelle ich nicht mehr«. Mutmaßlich gingen – zumindest zeitweise – die Umsatzzahlen zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel gar übte wenige Tage nach der Ausstrahlung bei der Eröffnung der Messe CeBit in Hannover diplomatisch-indirekt-kompliziert Kritik: »Begeistert von Amazon entdecken wir plötzlich, dass, weil im Weihnachtsgeschäft viele Menschen mehr Bücher haben wollen, die Arbeitsverhältnisse für diejenigen, die die Bücher verpacken müssen, ganz andere geworden sind. Wir werden also lernen müssen, die unentwegten Bedürfnisse der Individuen wieder mit sozialverträglichen Arbeitsbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten zusammenzubringen.« Diese neue Art der Wirtschaft, die »Shareconomy«, dürfe niemanden zurücklassen, forderte die Kanzlerin in Hannover. (Redemanuskript von Bundeskanzlerin Merkel bei der Eröffnungsveranstaltung der CeBIT 2013, 04.03.2013, Hannover)
Und dann gelang es der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ab Mai 2013 auch noch erstmals, Streiks in Amazon-Logistik-Standorten zu organisieren. Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die Mitarbeiter in den Versandfabriken des Onlinehändlers nicht nach den niedrigen, oft auf Mindestlohn-Niveau liegenden Kriterien der Logistik, sondern nach den deutlich besser dotierten Tarifen des Einzelhandels bezahlt werden müssen. Amazon steht das selbstverständlich ganz anders.
Bei Zalando wissen sie längst, dass Amazons Probleme auf dem Minenfeld der Logistik und der Beschäftigungsverhältnisse schlechthin schnell die eigenen werden können. Doch anders als der US-Konzern, der die TV-Kritik vor allem abzuwiegeln versuchte und dem besonders heftig kritisierten Sicherheitsdienst kündigte, der die Saisonkräfte katastrophal schlecht behandelt haben soll, versucht es Zalando
Weitere Kostenlose Bücher