Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
den Identifikations-Aufkleber und schieben die Kiste auf das Förderband, das einen Lastwagen nach dem anderen mit den Kartons befüllt. Und nebenan, sozusagen im zweiten Betrieb, läuft das Ganze rückwärts ab. Hier bekommt man einen plastischen Eindruck davon, was die sperrige Kennzahl »Retourenquote« im richtigen Leben bedeutet – und eine Ahnung dessen, was ein Unternehmen einsparen kann, wenn es in der Lage ist, diese Quote zu senken.
Aus den Lkw kommen per Förderband die Pakete, denen man schon von außen ansieht, dass sie von Leuten verschlossen und verklebt wurden, die das nicht jeden Tag tun, von den Kunden nämlich. Die Mitarbeiterin am Retourenarbeitsplatz scannt den Strichcode des Kartons. Während die Frau die Rücklieferung öffnet, erscheint auf dem Computerbildschirm vor ihrer Nase ein Bild des Produktes, das drin sein sollte. Die Mitarbeiterin vergleicht und kontrolliert, ob es sich wirklich um den richtigen Artikel handelt, stellt ihn zur Seite, scannt wieder und macht sich anschließend über die nächste Retoure her. Und immer so weiter. Wie viele Artikel eine Mitarbeiterin pro Stunde bearbeiten muss, weiß DocData-Chef Michiel Alting von Geusau angeblich gerade nicht.
An den Einpackstationen sind es rund 50 bis 60, ist später zu erfahren. Was passiert, wenn jemand die Quote nicht schafft? »Dann sprechen wir mit den Leuten und setzen sie notfalls an andere Arbeitsplätze um«, sagt von Geusau. Gehaltsabzüge gebe es nicht, allerdings auch keine Boni, falls sein Mitarbeiter schneller sein sollte.
Schließlich wird bei jeder Retoure kontrolliert, in welchem Zustand der zurückgeschickte Artikel ist: Unversehrt? Dann wird er wieder verpackt und später an den nächsten Besteller verschickt. Artikel mit Schäden oder Gebrauchsspuren – Kunden »testen« die Ware schon mal längere Zeit im Alltag – müssen aufgearbeitet oder mit Preisabschlag verkauft werden. Manche allerdings sind überhaupt nicht mehr zu verkaufen. So etwas ist für Zalando die schlimmste aller denkbaren Retouren, nämlich die teuerste. »Es stellt sich die Frage: Wie viel kann man von den Retouren noch zum vollen Preis verkaufen, wie viel zum reduzierten und wie viel gar nicht?«, sagt Escada-Chef Bruno Sälzer. Doch genau das, was andere Händler so sehr interessiert, verrät Zalando nicht.
In einem der Gänge steht ein zur Hälfte mit lädiert wirkenden Kartons gefüllter Wagen mit der Aufschrift »Klärfall«. Das sind Retouren, bei denen etwas nicht stimmt. Vielleicht fehlt der EAN-Code zur Identifizierung. Die muss dann aufwändig von einem Mitarbeiter geklärt werden. Manchmal schicken Kunden Produkte als Retoure an Zalando, die sie bei H&M oder anderswo gekauft hatten. Auch das treibt die Kosten.
Hier wird 24 Stunden am Tag gearbeitet, in drei Schichten. Die Hinweisschilder auf dem Gelände sind zumeist zweisprachig, deutsch und polnisch. Denn viele der Mitarbeiter kommen aus Polen, mit Einheimischen allein würde der Betrieb nicht laufen. Und Berliner, heißt es, kommen nicht raus nach Großbeeren, um Pakete zu packen. Polen dagegen schon. Sie pendeln oft in Fahrgemeinschaften täglich hin und her, 150 Kilometer. So wie die 34-jährige Magdalena. Sie spricht beide Sprachen, hat sich zur »Kontrolleurin« hochgearbeitet, jetzt betreut sie zwei bis drei Landsleute an den Bändern und zwischen den Regalen. »Das ist gutes Geld für uns«, sagt sie über die Bezahlung. Angeblich ist es trotz des niedrigen Lohnlevels bis zu dreimal so viel wie zu Hause. Docdata zahlt zumeist kaum mehr als einen Einstiegslohn von 7,80 Euro pro Stunde, während es in den Zalando-eigenen Logistikbetrieben nach Firmenangaben 8,79 Euro gibt. »Wir bezahlen im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir verdienen ja noch kein Geld«, begründet Geschäftsführer Schröder. Dass Docdata weniger zahlt als Zalando liege nicht an Zalando, sagt Schröder, das Unternehmen kalkuliere für alle Standorte vergleichbare Personalkosten. Schließlich erfüllten ja auch alle dieselben Aufgaben, eine Spezialisierung der Standorte gebe es nicht.
Aber der bis 2015 laufende Vertrag, den sein Unternehmen vor einigen Jahren mit dem Dienstleister gemacht hat, erlaube diese Unterschiede bei der Bezahlung nun mal. »Es gibt diese Differenzierung nur bei der Bezahlung, nicht bei den Arbeitsbedingungen«, versichert Schröder. Ob der Dienstleistungsvertrag verlängert wird, will er nicht sagen.
»Wir sind der Ansicht, Logistik gehört zum Kerngeschäft eines
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