Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
des Unternehmens, getan hatten und deren Einhaltung auch regelmäßig überprüfen«, versichert Schröder.
»Es gibt Verbesserungsbedarf. Aber wir arbeiten daran. Und ich denke, man kann deutlich Fortschritte von Standort zu Standort erkennen«, sagt der Geschäftsführer. Aber alle Vorwürfe – auch die der Gewerkschaft ver.di wegen der vielen befristeten Verträge – will er denn doch nicht auf sich sitzen lassen. In der öffentlichen Diskussion sei vieles »verkürzt und undifferenziert dargestellt«. Die Quote der unbefristet Beschäftigten in der Logistik sei deshalb so niedrig, weil die Standorte noch so neu seien. Und in der Frühphase könne Zalando das Risiko nicht auf sich nehmen, gleich jedem neuen Mitarbeiter einen unbefristeten Vertrag zu geben. »Das wird sich aber im Laufe der Zeit spürbar ändern, wenn die neuen Standorte zwei oder drei Jahre gut gelaufen sind«, verspricht er.
Bei Zalando gebe es zudem nicht diese Sondersituation mit dem Bestellboom zu Weihnachten wie bei Amazon und damit auch nicht das Problem mit den Leiharbeitern. Lastspitzen gebe es nur, wenn die Frühjahrs- und die Winterware komme. Und dann lege der Anstieg der Bestellungen bei maximal 30 Prozent. »Nur für solche Spitzen beschäftigen wir Leiharbeiter, nur zehn Prozent im Jahresmittel. Und wir legen großen Wert darauf, dass sie denselben Lohn erhalten, den wir unseren eigenen Mitarbeitern zum Einstieg zahlen.« Und dann sei das Ziel, möglichst viele der Leiharbeiter zur Stammbelegschaft herüberzuziehen, nach spätestens sechs Monaten. »Länger darf man nicht brauchen, um zu sehen, ob derjenige zu uns passt oder nicht.« Meistens bekämen die Leute schon nach drei Monaten ein Angebot für einen Vertrag, wenn auch zunächst für einen befristeten. »Nur eine gute Stammbelegschaft kann auf Dauer die Leistungsfähigkeit garantieren, die wir in unserer Werbung versprechen. Sonst sind die Kunden enttäuscht und bestellen nicht wieder bei uns«, sagt Schröder.
Mit 8,79 Euro pro Stunde verdienen aber auch die meisten Mitarbeiter in Brieselang oder an Thüringens großem Logistikstandort Erfurt nicht viel. Das müsse man relativ sehen: »In Erfurt zahlen wir mehr als viele andere Logistikfirmen«, verteidigt sich Schröder und verweist auf die hohe Zahl von Zalando-Mitarbeitern, die zuvor gar keinen Job hatten und von Hartz IV lebten. Dass das Unternehmen ihnen eine Chance gebe, wieder in Arbeit zu kommen, dürfe auch ruhig einmal gewürdigt werden.
Tatsächlich sind es inzwischen weit mehr als 1700 frühere Hartz IV-Empfänger, die – oft ohne Berufsausbildung – durch den Zalando-Job finanziell wieder einigermaßen auf eigenen Füßen stehen. Ihre Einarbeitungskurse bezahlen die Arbeitsagenturen. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Allgemeinheit subventioniere auf diese Weise die Zalando-Logistik, läuft die Job-Vorbereitung – zumeist über den TÜV – in Trainingszentren, die nicht mit echten Bestellungen arbeiten. Für diese Einarbeitung gibt es etwa in Erfurt einen kleinen Übungsbetrieb, der nicht in der Produktionshalle untergebracht ist.
In der richtigen Zalando-Welt gibt es anschließend, wenn die Kandidaten übernommen wurden, für jeweils fünf Ex-Hartz-Bezieher einen »Mentor«, der den früheren Langzeit-Arbeitslosen bei der Wiedereingliederung in den Job-Alltag hilft. Über diese Schiene ist auch Detlef, 59 Jahre alt, zum Job in Brieselang gekommen. Ihn suche ich mir heraus, er arbeitet abseits von der Besuchergruppe an einem Regal. Was er da mache, möchte ich wissen. »Ich lagere ein«, sagt er brandenburgisch knapp und packt Pakete ins Regal. Er sei arbeitslos gewesen, vier Jahre lang, habe ein paar kleine Jobs gemacht, »aber nichts Richtiges«. Über seinen Berater bei der Arbeitsagentur habe er von der Jobmöglichkeit bei Zalando erfahren. Der Job sei in Ordnung, er wisse lange im Voraus, welche Schichten er arbeiten müsse. Lohnschwankungen habe er noch nicht gehabt, auch wenn es mal weniger Arbeit gebe. »Das Gehalt ist immer dasselbe«, bei Auftragsflaute würden halt die Überstunden abgefeiert. Das klingt ganz anders als das, was der Sekretär der Gewerkschaft Ver.di behauptet hatte: Denn er sprach von schwankenden Lohnzahlungen, abhängig vom Arbeitsaufkommen. Ob Detlef noch eine andere Chance auf einen Job gehabt hätte? »Nee, in meinem Alter», sagt er. Hat er schon mal etwas Online bestellt? »Nee.«
Samstags haben er und seine Kollegen meistens frei, denn dann wird nur selten
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