Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
einmal zwei Paare vom selben Modell. Etwa drei Viertel der Ware ist für die Mädels, der Rest für Jungs. Ähnlich ist an diesem Mittag auch die Besucherstruktur: Die Frauen haben die überwältigende Mehrheit inne.
Das Label am Schuh zeigt den neuen und den ursprünglichen Preis, dazu gleich noch die Ersparnis in Prozent. Falls es B-Ware ist, steht auch das drauf. Die Textilien baumeln – extrem dicht gedrängt – uninszeniert auf den Ständern, »women« rechts, »men« links. Beratung gibt es nicht. Es sei denn, man fragt die Mädels und Jungs an der Kasse. Kein Schnickschnack, keine Lounge-Ecke, kein Restaurant, allenfalls Club-Musik aus der Beschallungsanlage. Just Abverkauf.
Einkaufsspaß verspricht das nicht gerade. Man muss schon Zeit, Schnäppchenjägertrieb und Markenliebe mitbringen, um sich hier wohlzufühlen. Hier einzukaufen, ist mühsam. Und damit erfüllt dieses Outlet – wie grotesk ist das denn?! – das genaue Gegenteil der Kriterien, mit denen Zalando seinen Aufstieg zu Europas größtem Mode-Online-Shop geschafft hat: Denn es gibt weder ein superbreites Angebot noch einen schnellen Überblick über die vorhandene Ware, erst recht keine ständige Verfügbarkeit der Artikel, keine emotionale Kundenansprache, aber – wie im stationären Handel nun mal üblich – begrenzte Öffnungszeiten und die Notwendigkeit, irgendwo hinzufahren, um einzukaufen. Bummeln und shoppen gehen per iPad oder Smartphone abends um 23 Uhr oder am Sonntag ist bequemer und kundenfreundlicher. Dafür spart die Kundin an der Köpenicker Straße Geld und kann die Ware, wenn sie denn etwas Passendes findet, gleich mitnehmen.
Wer also vermutet, und dieses Gerücht kommt in der Modebranche immer mal wieder auf, das Outlet sei der heimliche Prototyp für eine vielleicht bald kommende Zalando-Ladenkette, der war noch nicht hier. Das hier ist ein schlichter Verkaufsplatz eines großen Händlers, wie es sie inzwischen zu Hunderten in Deutschland gibt. Das kann kein Testlabor für eine innenstadttaugliche Ladenkette sein!
Doch das tut dem Erfolg keinen Abbruch. Auch an diesem Donnerstagmittag finden sich Kundinnen ein, eine überschaubare Zahl zwar, aber vielleicht mehr als in mancher Warenhausetage in der Innenstadt um diese Uhrzeit. Als der Laden im Frühjahr 2012 eröffnet wurde, herrschte dagegen Ausnahmezustand an der Köpenicker Straße. So sehr zog die Nachricht, dass es plötzlich einen Zalando-Laden gibt. Und obwohl es der beste Beweis für funktionierende Markenbindung sein dürfte, schoben die Verantwortlichen dem, was aussah wie das Revival der Kundenansturm-Szenen beim Start des Schlussverkaufs in den sechziger Jahren, schnell einen Riegel vor: Wer rein will in Zalandos einzigen Laden, muss sich längst vorher auf der Homepage registriert haben und bekommt eine Art Club-Karte er analogen Ära. Das regelt den Kundenansturm.
Was nicht ausschließt, dass junge Mädchen aus ganz Europa beim Berlinbesuch inzwischen unbedingt auch das Zalando-Outlet gesehen haben müssen.
Und sie sehen beim Besuch auch diesen Zettel mit dem »Fotografieren verboten«-Schild im Treppenhaus. Wie grotesk das ist, geht ihnen im Kaufrausch wahrscheinlich gar nicht auf: Denn Zalando wird von der klassischen Schuhladen-Konkurrenz dafür kritisiert, dass es versucht, den Läden mit fragwürdigen Mitteln Kundinnen abzujagen. Über die Zalando-App können sie die Schuhe per Smartphone fotografieren und so blitzschnell den Preis des jeweiligen Modells bei Zalando erfahren und dann direkt dort Online bestellen. Und ausgerechnet dieses Zalando verbietet in seinem einzigen eigenen Laden das Fotografieren!
Jobs bei Zalando: Augusto Minatta
Der Mann, der die Maschine abstimmt – und das in kurzen Hosen
38, Chefplaner
Vielleicht kennt nicht jeder in der Zalando-Zentrale seinen Namen. Aber wenn von »dem mit den kurzen Hosen« die Rede ist, weiß wohl jeder, dass es um Augusto Minatta geht. Der Mann vom Comer See, der einen italienischen und einen deutschen Pass besitzt, pflegt selbst im Berliner Winter in kurzen Hosen zur Arbeit zu erscheinen. »Das ist einfach bequem. Außerdem habe ich fünf Jahre lang jeden Tag Anzug tragen müssen.« Und bei Zalando darf sich jeder am Schreibtisch so anziehen, wie er will. Auch wenn er der Planungschef ist, offiziell »Head of Strategy, Planning and Forecasting«.
Augusto Minatta ist unter den vielen bunten Vögeln bei Zalando wohl einer der buntesten. Von 2005 bis 2011 war er beim Beratungskonzern McKinsey
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