Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
einbrachte: Die erfinden ja nichts, die machen ja nur nach, heißt es bis heute. Tatsächlich übernehmen sie gern die Geschäftsideen anderer Leute. Dann suchen sie Geldgeber, die sie bisher zumeist in beeindruckender Zahl finden, perfektionieren das Geschäftssystem und rollen es auf neue Märkte aus. Sie »skalieren«.
Auch Zalando war, ein Jahrzehnt nach Alando, nichts anderes als ein Klon des amerikanischen Online-Schuhhändlers Zappos, wobei die Idee nur zum Teil dem Konto der Samwers zuzuschreiben war, sondern, wie erläutert, in erste Linie Robert Gentz und David Schneider. Alando indes war nur ein kurzes Vergnügen für die Brüder: Gerade sechs Monate nach der Gründung kaufte das Original ebay seine deutsche Kopie für angeblich 43 Millionen Dollar. Oliver Samwer wurde noch für ein paar Monate Geschäftsführer von ebay Europe. Und soll es später einmal als Fehler bezeichnet haben, Alando so früh verkauft zu haben.
Mitte 2000 folgte – zusammen mit dem Telefondienstanbieter Debitel und der Metro-Tochter MediaSaturn – die Gründung des Klingeltonanbieters Jamba. Oliver und Marc Samwer machten Jamba, deren Werbespots in kaum zu ertragender Wiederholungsquote etwa beim Musik-TV-Sender MTV liefen, zur Nummer eins der Branche. Nicht nur wegen der nervigen Töne gab es immer wieder Ärger, sondern auch, weil Jamba seine Telefongeräusche im Abonnement auch an Minderjährige verkauft hatte. 2004 war Ruhe, VeriSign/Newscorp aus den USA kaufte ihnen und den Gründungs-Investoren Jamba für 273 Millionen Dollar ab. Seither hört man nicht mehr allzu viel von der Klingelton-Firma.
Seit 2006 waren die Samwer-Brüder über ihr Vehikel »European Founders Fund« an zahlreichen jungen Firmen beteiligt. Beim Verkauf flossen die Millionen, und eine Menge davon blieb bei den umtriebigen Brüdern hängen. Einige Beispiele: der YouTube-Klon myvideo (verkauft an ProSiebenSat1), das Spieleportal bigpoint.com (verkauft an NBC), der Modeanbieter limango (verkauft an Otto), das Studenten-Netzwerk StudiVZ, der Fotoanbieter myfotobook.de (beide verkauft an Holtzbrinck Ventures), easytaxi, myhammer, trivago, daWanda, Groupon, home24, FAB furnish, eDarling, payleven, paymill und viele andere.
Ein paar Jahre hielten die Brüder auch Anteile an Facebook, beim Ausstieg sollen sie ihren Einsatz verdreifacht haben. Kuschelkurs ist im brüderlichen Firmen-Imperium nicht gerade angesagt: »Es gibt ganz klare Verantwortungen. Jeder hat seine Unternehmen, die er von null auf hundert so erfolgreich macht, wie es eben geht. Alle kann man nutzen und fragen. Jeder denkt auch für den anderen. Aber jeder ist hundert Prozent verantwortlich für die Unternehmen, deren Gründer er unterstützt«, sagt Oliver Samwer. Und da ist Power angesagt: Wer in einem der Unternehmen arbeitet, muss richtig ranklotzen und versuchen, dem Tempo und den Anforderungen der zumeist unsichtbaren Vordenker zu folgen. Und er darf nicht empfindlich sein: In manchen seiner Motivationsmails an die Führungskräfte vergaloppiert sich Oliver Samwer schon mal kräftig. In einer dieser Mails forderte er von seinen Leuten einen »Blitzkrieg« zur Eroberung von Märkten. Die Businesspläne müssten »mit Blut« unterschrieben werden, verlangte er – wofür er sich später entschuldigte.
Schon in seiner Hochschul-Abschlussarbeit forderte er Firmengründer auf, sich von Mitarbeitern zu trennen, die ihnen nicht weiterhelfen. Und zwar lieber heute als morgen. Unternehmen, die schlecht laufen oder »nicht skalieren«, werden schon mal schnell dichtgemacht, etwa in Japan oder der Türkei. Auch hier verlieren die Samwers ungern Zeit mit mühsamen Wiederbelebungsversuchen. Lieber überlassen sie dem Management das Unternehmen und gründen stattdessen etwas Neues.
Inzwischen zeichnet sich allerdings ab, dass die Brüder statt Breite mehr auf Spitze setzen wollen. Und nicht mehr ausschließlich auf Gründungs-Quickies, sondern eher auf langfristige Beziehungen, jedenfalls öfter als zuletzt. »Die Samwers sind oft sehr früh aus den Unternehmen wieder herausgegangen, etwa bei Jamba«, sagt EHI-Wissenschaftler Kai Hudetz, »bisher waren sie nur Copy Cats und haben noch nie ein Geschäftsmodell bis in einen ernst zu nehmenden Reifegrad begleitet.«
Ist Zalando das prominenteste Beispiel für den neuen Kurs der Brüder? In keinem Unternehmen jedenfalls waren sie länger engagiert als hier. Mit der Langfrist-Konzeption lässt sich jedenfalls prima begründen, warum Zalando noch
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