Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Engagements nachgelegt haben und auch Tengelmann – diese Firmen sollten auch jene sensible Geschäftszahlen kennen, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind – Verkaufsgewinne in das Samwer-System reinvestiert, spricht für eine weniger kritische Beurteilung dieses großen Hungers nach Investoren-Millionen. Zum Gerücht, dass sich die Summe inzwischen auf rund 600 Millionen Euro addiert haben soll, sagt bisher keiner der Beteiligten etwas.
Mit dem Bau des Logistikzentrums in Erfurt kam auch die Commerzbank ins Finanzierungsspiel: Das Frankfurter Institut lieh zusammen mit der regionalen Sparkasse Mittelthüringen Zalando rund 40 Millionen Euro, um die riesigen Lagerhallen mit Regalen und Fördertechnik ausstatten zu können.
Haub will auch das als Indiz für die wirtschaftliche Solidität des Projektes Zalando gewertet wissen: »Banken waren noch nie so vorsichtig wie jetzt. Ich denke, das spricht für sich. Zalando ist eine grandiose Erfolgsstory und wir sind froh, von Anfang an dabei zu sein.« (WamS, Ende 2012). Allerdings will er auch nicht ausschließen, dass es dem jungen Unternehmen Zalando in der Kreditabteilung der Großbank Commerzbank geholfen haben mag, dass einer der Hauptinvestoren den seriösen Namen Tengelmann trägt.
Wobei die Beteiligung eines Institutes wie der Commerzbank selbstverständlich alles andere als eine Erfolgsgarantie für Zalando darstellt. Schließlich kann man nicht gerade behaupten, dass Großbanken grundsätzlich nur auf Unternehmen setzen, die sich am Ende als die Gewinner herausstellen. Zahlreiche Insolvenzfälle, bei denen die Banken zu den Hauptgläubigern gehörten, beweisen genau das Gegenteil. Und auch die Haubs haben bei ihren Investitionen schon öfter danebengegriffen. Zuletzt war es der Rückzug aus der Lebensmittelkette A&P in den USA, die die Milliardärs-Familie Millionen gekostet hatte.
Doch dieser Tiefschlag ist inzwischen ein paar Jahre her. Jetzt ist Haub begeistert vom Tempo und der Kraft, mit der das Internet die Einkaufsgewohnheiten der Menschen überall auf der Welt verändert: »Es ist absolut faszinierend! Und ich bin überzeugt: Das nächste große Ding ist schon in Arbeit. Wir wissen es nur noch nicht.«
»Tendenz groß«: Die Samwer-Show
Der junge Mann auf der Bühne versucht gar nicht erst, diplomatisch zu sein. Schließlich eilt ihm der Titel des »kreativen Zerstörers« voraus. Und genau so wird er auch heute bei Tengelmanns e-day angekündigt. Dieses Label scheint Oliver Samwer gar nicht unrecht zu sein. Es scheint ihm vielmehr Spaß zu machen, die Weisheiten von Wissenschaftlern und Unternehmensberatern als abgehoben und wirklichkeitsfremd zu brandmarken. »Wir haben gerade 15 Minuten lang jede Menge Zahlen gehört«, sagt er – Moderator Kai Hudetz vom Forschungsinstitut IFH Köln hatte zur Einführung jede Menge Statistiken bemüht, die zeigten, wie rasant der Onlinehandel in Deutschland und international wächst und wie stark er noch wachsen wird. »Wir«, sagt Samwer und macht eine kurze Kunstpause, »wir sehen die Welt viel einfacher.« Und wie der charismatischste und umstrittenste der drei Samwer-Brüder diese Welt sieht, sagt er selten so klar und deutlich wie bei diesem einstündigen Vortrag, für den er kein Manuskript benutzt. Nicht den hochkomplizierten Geschäftsideen irgendwelcher Masterminds gehöre die Zukunft, sagt Samwer. »Wir haben einen fundamentalen Glauben: Brot- und Butter-Modelle werden weltweit am erfolgreichsten sein.« Die schlichten Geschäfte also, die man in einem Satz erklären kann, bringen Geld, Macht und Ruhm: Der Kunde bestellt ein Buch, ein paar Schuhe, einen Computer oder eine Vitrine und der Händler schickt ihm das Produkt zu. Basta.
Brot-und Butter-Geschäfte wie die von Amazon sind es, die ihm so gefallen und die er für die Zukunft hält. Deshalb auch werde in zehn Jahren nicht Google, Facebook oder Exxon das wertvollste Unternehmen der Welt sein, sondern Amazon. »Die 54 000 Leute und 44 Lager von Amazon verschwinden nicht von heute auf morgen. Das Geschäft wächst auch nur 40 Prozent über 15 Jahre, aber das wird dann noch da sein in vielen Jahren. Facebook kann am Anfang um 5 000 Prozent wachsen und dann noch 500 Prozent. Aber es ist rein digital, es ist nicht mit Ware unterlegt. Wird es dann noch da sein?« Wenn Samwer so auf die existenzsichernden Effekte eigener Logistikstandorte vertraut – ist es da erstaunlich, dass Zalando in Deutschland gerade einen Versandstandort nach dem anderen
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