Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
plant, eröffnet und auch selber betreibt?
Der Mann macht es auch im Vortrag schlicht und dadurch effektvoll: »Was ist E-Commerce?«, fragt er. Und sichert sich mit seiner überraschenden Antwort die Aufmerksamkeit der Zuhörer: »Das ist die unsexiest industry of the internet. Das hat mit Paketen zu tun, mit Lagern, mit Logistik, mit Supply Chain. Old economy-Zeugs, ein bisschen DHL, ein bisschen Fabrik, ein bisschen Technologie.« Alles ganz einfach also?
Öffentlich tritt er, der Fließband-Firmengründer und Geschäftsideen-Nachmacher nicht auf. »Wir halten normalerweise nicht so gerne Vorträge und reden nicht so gerne über Firmen, die wir unterstützen. Aber ich bin heute hier, weil ich denke, ich schulde der Familie Haub einen Gefallen.« Damit meint er Karl-Erivan Haubs Entschluss aus dem Jahr 2009, bei Zalando zu investieren. »Wenn ich meine Zeit auf Veranstaltungen verbringen würde oder bei Banken, wäre es Ende im Gelände. Das einzige Risiko, das Investoren mit uns haben, wäre, dass ich nicht mehr eine kreative Ameise wäre. Doch das Risiko ist gleich null. Und deshalb fahre ich auch gleich wieder«, kündigt er an. Und tatsächlich wird er nach seinem Vortrag nur noch ein paar Fragen des Publikums zulassen und ein bisschen beantworten und dann sofort wieder verschwinden. Smalltalk beim Coffee Circel-Kaffee oder gar iPhone-Fotos mit Oliver Samwer zum Posten über Facebook wird es anschließend nicht geben. Denn wenn ein Samwer eines nicht mag, dann ist es, Zeit oder Geld zu verlieren, was in diesem Fall wohl dasselbe ist. Am Vorabend dieses e-day fehlte denn auch einer beim gemeinsamen Essen der Organisatoren und Referenten: Oliver Samwer. Der, heißt es, soll noch gearbeitet haben.
Dass er sich in jüngster Zeit öfter als früher auf Bühnen und an Podien stellt und bei der Präsentation der eigenen Visionen lauter wird, werten Beobachter als Indiz dafür, dass Rocket Internet immer mehr Geld für seine zahlreichen Unternehmen braucht, die sich immer noch fern der Gewinnzone befinden. Und Oliver Samwer ist nun einmal die Rakete unter den Geldeintreibern bei Rocket.
»Für Gründer von Online-Händlern ist es immer noch schwierig, an Geld zu kommen«, bestätigt später Kai Hudetz vom IFH Köln. »Es dauert halt sehr lange, bis sich der Einsatz in dieser Sparte rentiert. Die Gewinnspannen sind ja nicht so groß. Da setzen Investoren ihr Geld lieber in Branchen ein, in denen sie schneller etwas davon haben.« Was bedeutet diese Finanzknappheit für Zalando? »Unter der Voraussetzung, dass die eigene Finanzierung sichergestellt ist, heißt für Zalando: Die Gefahr ist relativ gering, dass von irgendwo her ein vollkommen neuer Konkurrent kommen wird. Denn um den zu schaffen, bräuchte es sehr hohe Investitionen«, glaubt der Wissenschaftler, der beim e-day Samwers Vortrag moderiert hatte.
Tempo machen, Neues machen, Firmen groß machen – das ist der Anforderungskatalog der drei Samwer-Brüder an sich selber. »Es muss der Anspruch sein, dass man es dreifach schafft, wenn man zu dritt ist. Deshalb haben wir vor fünf Jahren aufgehört, die Meetings zusammen zu machen. Es gibt kaum Termine, an denen zwei oder drei von uns da sind. Uns geht es darum, viel zu schaffen.« Und dann wird Oliver, der Mittlere, der kühle Rationalist, für einen Augenblick ganz Familienmensch. Sein Ton verändert sich aber auch dabei kaum, er klingt nicht weicher. Eher ein bisschen wie Torwart-Titan Oliver Kahn: »Es macht unheimlich viel Spaß, das als Brüder und Freunde zu machen. Es gibt so ein Fundament und eine Vertrauensbasis, die nie kaputtgeht, auch wenn wir uns mal streiten.« Beschlüsse müssen im Brüder-Trio, genau wie bei den drei Zalando-Geschäftsführern auch, einstimmig gefasst werden.
Die drei Samwer-Jungs hatten die besten Voraussetzungen für ihre spektakuläre Karriere: Vater Sigmar-Jürgen Samwer war in Köln ein bekannter Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet Presse- und Wettbewerbsrecht. Er arbeitete unter anderem für Nobelpreisträger Heinrich Böll. Der Großvater war wesentlich an der Gründung der Gothaer Versicherung beteiligt. Dessen Enkel Marc (1970), Oliver (1973) und Alexander (1975) starteten 1999 zusammen mit Freunden mit der Gründung des Online-Auktionshauses Alando. Es war die Übertragung des Geschäftsmodells der amerikanischen ebay auf Europa.
Solche Klon-Gründungen erwiesen sich fortan als Spezialität der Samwers, was ihnen immer wieder Kritik aus der Gründer-Szene
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