Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
ganzen anderen Märkten?«, fragt Samwer, »laufen eine Milliarde Inder nackt rum? Oder 240 Millionen Indonesier? Nein, die wollen was kaufen! Die Logik ist doch klar.« Klar, da muss man hin und die Lücke schließen und Onlinebuden eröffnen, bevor Amazon es tut. Und genau das macht Rocket Internet systematisch, mittels Brüdern und Schwestern von Zalando. Das ist das Geschäfts- und Skalierungsmodell von Rocket Internet. »Wir gehen dorthin, wo es nicht schon 100 Zalandos gibt.« Und zwar nicht nur mit Firmen, die Schuhe und Mode verkaufen, auch mit Möbelhändlern.
In Brasilien und in den Nachbarländern heißt die Zalando-Schwester Dafiti, die Amazon-Kopie in Rocket-Manier heißt dort Linio. Mobly soll den Online-Möbelmarkt des wirtschaftlich erstarkenden Subkontinents erobern. In Asien heißt das Samwer-Amazon Lazada, die Zalando-Schwester Jabong. Namishi soll die Wohlhabenden im Nahen Osten zum virtuellen Kleiderkauf animieren. In Nigeria sorgt Rockets Internetkaufhaus Numia für spitze Schreie des Glücks, Schwesterunternehmen nehmen sich Ägypten, Südafrika oder Kenia vor.
Alle diese Firmen mit 21 000 Mitarbeitern gehören zur großen Rocket-Familie und praktisch alle dieser Zalandos für ferne Kontinente schreiben – wie das in Europa – Verluste. Dabei ist gar nicht einmal auszuschließen, das Zalando irgendwann einmal gegen andere Rocket-Unternehmen außerhalb Europas antritt. Denn eine strenge Aufteilung der Handels-Welt unter den Brüdern und Schwestern, einen Konkurrenzausschluss also, soll es nicht geben im Samwer-Reich.
Das Manager Magazin, stets sehr Samwer-kritisch eingestellt, kontrastiert die Tatsache der fehlenden Gewinne genussvoll mit den Versprechungen, die Rocket Internet den Investoren mache: Innerhalb von drei bis fünf Jahren würden die meisten dieser Firmen Umsätze in Milliardenhöhe und zweistellige Umsatzrenditen erzielen, zitiert das Magazin Rocket-Unterlagen für potenzielle Geldgeber. Das kann nichts werden, so das Fazit des Magazins, das ist ein Kartenhaus, das früher oder später zusammenbrechen müsse. (MM 05/2013)
Ohne Zweifel ist in der Wirtschaftsgeschichte nur selten ein Investoren-Trio erfolgreich nahezu gleichzeitig in so viele unterschiedliche, noch in der Entwicklung befindliche neue Konsummärkte eingestiegen. Und auch die hohen Renditeversprechungen erinnern Kritiker eher an die Verkaufsargumentationen von Strukturvertrieben als an Unternehmen, denen sie ihre private Altersvorsorge anvertrauen würden. Zumal selbst das Branchenvorbild Amazon derzeit kaum mehr als einen Bruchteil dessen verdient, was die Samwers ihren Investoren versprechen. Doch nennt das Manager Magazin auf sechs Seiten – das ganzseitige Oliver-Samwer-Foto nicht mitgerechnet – keinen Grund, warum das Ganze auf keinen Fall funktionieren kann. Der Tenor der Geschichte »So viel auf einmal kann nicht klappen, das hat ja noch nie geklappt, also ist da etwas faul« ist nicht wirklich ein überzeugendes Gegenargument, auch wenn Zweifel tatsächlich berechtigt sind. So ist zum Beispiel überhaupt nicht abzusehen, was passiert, wenn einer der großen Zukunftshoffnungen der Samwers in Asien, Lateinamerika oder Afrika die Luft ausgehen sollte und Investoren dabei richtig viel Geld verlieren. Bleiben die Geldgeber der anderen Projekte dann bei der Stange oder suchen sie in Panik das Weite? Dann wäre die Samwersche Finanzaorta trockengelegt und der ganze Rocket-Organismus wäre am Ende, bevor er seine Überlebensfähigkeit überhaupt beweisen könnte.
Allerdings sollte man nicht vergessen: Der weltweite Aufstieg der Online-Ökonomie ist eine zeitlich begrenzte Sondersituation, ein Umbruch, eine Zäsur, die man durchaus mit den wirtschaftlichen Folgen großer politischer Neuordnungen vergleichen kann, etwa jenen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Und solche Phasen bringen in neuen Märkten oft Wachstumsstorys hervor, die in normalen Zeiten undenkbar sind. Warum nicht auch hier und jetzt? Derzeit scheint das berühmte window of opportunities, dieses Fenster der Gelegenheiten, ganz weit geöffnet zu sein. Und die Samwers wollen möglichst viele der Gelegenheiten nutzen. Wer weiß, wann sich das Fenster wieder schließt?
Selbst wenn nur ein Viertel oder gar ein Zehntel der jungen Fließband-Firmen die Renditeversprechen auf Dauer einigermaßen erfüllen sollten, ist das für die Samwers und ihre Investoren immer noch ein Riesengeschäft. Und bisher haben die drei Jungs immer noch genügend Reiche
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