Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
hat halt andere Erfahrungen oder Interessenlagen in Bezug auf
die Person, für die sich der Frager interessiert. Oft bekommt man als
Journalist dann Aussagen »unter drei«, was bedeutet: Bitte auf keinen Fall mit
meinem Namen als Quelle in Verbindung bringen. »Sonst sage ich Ihnen nie wieder
etwas.«
Wenn es um die drei Zalando-Geschäftsführer oder gar die
Samwer-Brüder geht, kehrt sich dieses Verfahren auf ungewohnte Weise bisweilen
um: Plötzlich wird der Frager zum Gefragten: »Die kenne ich gar nicht. Aber Sie
haben doch schon mal mit denen gesprochen. Wie sind die denn so?« Das bekommt
man oft zu hören. Erstaunlich oft.
Selbst die Chefs großer Modemarken müssen passen, weil sie
bestenfalls einen der Geschäftsführer oder der Samwers mal irgendwo kurz
getroffen haben. Aber mehr nicht. Und das ist ziemlich ungewöhnlich in der
Konsumbranche. Denn zumeist treffen sich die Großkopferten der Branche häufig
auf Messen, Kongressen, Empfängen oder Firmen-Partys. Und sie halten dann mit
ihrer Einschätzung des anderen auch nicht unbedingt hinter dem Berg –
jedenfalls dann nicht, wenn man ihnen Anonymität zusichert.
Bei den Zalando-Geschäftsführern jedoch funktionieren diese
Mechanismen nicht. Sie sind tatsächlich so etwas wie die geheimnisvollen
Unbekannten, die den Markt umpflügen, von denen man aber nicht viel weiß. Mag
das bei anderen Absicht oder eine Masche sein, bei Gentz, Schneider und Ritter
ist es das sicher nicht. Sie sind einfach so. Sie treiben sich nicht, wie
andere Führungskräfte der Webwirtschaft, auf Workshops und schon gar nicht auf
Empfängen von Industrie- und Handelskammern oder Handelsverbänden herum.
Stattdessen meiden sie Branchengremien so weit es geht. In Talkshows sucht man
sie erst recht vergebens. Und wenn mal einer der drei einen klassischen Empfang
besucht, langweilt er sich schnell und geht bald wieder, weil ihn ohnehin kaum
jemand kennt. Oder die Anzugträger aus der alten Ökonomie nur ratlos gucken und
tuscheln, über diesen Gast, der ja so seltsam leger angezogen ist. Dann bleiben
sie lieber weg und nutzen die Zeit, um arbeiten. Mama und Papa dürften stolz
auf so viel Fleiß und Fokussierung sein! Und Oliver Samwer als kreative
Ober-Ameise auch.
Die drei Ober-Zalandos und die anderen Führungskräfte im Alter
um die 30 Jahre setzen die Prioritäten knallhart auf Wachstum und Sicherung des
Unternehmens. Das hat Priorität und danach kommt erst einmal lange nichts. Das
habe ich auch vor und während der Recherchen für dieses Buch mehrfach erlebt:
Es dauerte zunächst Wochen, brauchte mehrere Gespräche, Mails und anderes, bis
die drei ihre Zusage gaben, für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Immer wieder
war der Termin für die Entscheidung verschoben worden, weil es immer irgendwo
brannte im Unternehmen: Entscheidungen zur Logistik, nie konkretisierte Probleme
im Ablauf, die Tatsache, dass sie im Februar 2013 erstmals ihre Bilanz bekannt
geben wollten und die Präsentation vorbereiten mussten. Dann folgte der
Amazon-Skandal in der Logistik – und die Zalando-Chefs investierten viel
Energie, um den Sturm nicht auch auf ihr Unternehmen übergreifen zu lassen.
Wie wahrscheinlich alle Unternehmer, jedenfalls die, die ihre
Eitelkeit einigermaßen unter Kontrolle haben, fragten sie sich: Bringt mir so
ein Buch etwas? Stehlen mir die Gespräche Zeit? Oder ist es sinnvoll für ein
öffentlichkeitswirksames Unternehmen wie Zalando, die Tür nach draußen noch
weiter zu öffnen? Von der strikten Funkstille der allerersten Jahre ist Zalando
ja bereits abgegangen. Inzwischen gibt es tatsächlich Pressetermine mit den
Geschäftsführern. Die alte Aldi-Strategie »Wir sagen nichts« kann für ein
junges Unternehmen im transparenten Internet nicht funktionieren, das wird
ihnen klar geworden sein. Sollten sie also mitmachen? Auch auf die Gefahr hin,
dass ihnen nicht alles passt, was später im Buch stehen wird?
Die Gespräche mit den Chefs und den Mitarbeitern fanden fast
immer unter vier Augen statt, da war kein Pressesprecher dabei. Allerdings war
die Vereinbarung, dass die Gesprächspartner ihr »o.k.« zu den Zitaten geben
sollten, bevor die veröffentlicht werden. Eine Forderung stellten die
Geschäftsführer allerdings für die Gespräche: Bitte nichts, was irgendwie nach
Homestory oder Personenkult aussieht! Persönliches zu Gentz, Schneider und
Ritter nur dann, wenn es für das Verständnis des Unternehmens Zalando notwendig
ist.
So ist es in nahezu allen
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