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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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Unternehmen, in denen die
Samwer-Brüder engagiert sind: Die Chefs meiden das Rampenlicht und wollen nicht
im Vordergrund stehen; wenn sie sich auch nicht verstecken und verschanzen wie
andere Handelsbosse, etwa die von Aldi, Lidl oder ehemals Schlecker.
    Würden die Verantwortungsträger von Zalando mal im Fernsehen
auftreten, wären viele Zuschauer wahrscheinlich enttäuscht. Denn sie wirken
viel unaufgeregter, als man es sich das von Managern vorstellt, deren
Unternehmen schrill mit kreischenden Mädchen und Postboten wirbt. Zurückhaltend
und freundlich sind sie zumeist, ohne
Ich-erkläre-euch-jetzt-mal-die-Welt-Attitüde, aber mit unerschütterlichem
Selbstbewusstsein. Mit teils schon bewundernswerter Gelassenheit erklären sie
beispielsweise zum tausendsten Mal, warum ihrer Meinung nach weder die hohe
Retourenquote noch die immer noch fehlenden Gewinne stichhaltige Gründe für die
These der Kritiker sind, dass Zalando irgendwann mit einem lauten Knall platzen
und sich als riesige Investitionsruine erweisen wird. Doch auch das gehört zum
Job. Dabei kann man ahnen, wie sehr sie diese immer gleiche Diskussion
inzwischen nervt.
    Die drei Geschäftsführer verstehen sich augenscheinlich gut.
Sie kennen sich ja auch schon seit ihrem Studium. Schneider und Gentz habe
zusammen gewohnt und gemeinsam ihre Abschlussarbeit geschrieben. Robert
Schneider sagt über den Meinungsfindungsprozess zwischen den Geschäftsführern:
»Wir stimmen nicht ab, sondern diskutieren, bis wir einer Meinung sind – das
funktioniert« (Gespräch 15.01.13, WamS).
    Viele, die in jungen Jahren Erfolg in der Wirtschaft hatten,
drohten schon mal überzuschnappen und sich in Allmachtsphantasien zu ergehen –
was zumeist mit üblen Bruchlandungen endete. Sehen die Zalando-Chefs diese
Gefahr für sich? »Wir haben großen Respekt vor der Herausforderung, aber wir
verspüren keine Höhenangst. Bisher haben wir das schnelle Wachstum schließlich
immer ganz gut gemeistert und die Ziele, die wir uns gesetzt haben, auch
erreicht. Wir sehen nicht die Gefahr, dass wir abheben könnten. Das entspricht
nicht unseren Persönlichkeiten«, ist sich Robert Gentz sicher (Gespräch
15.01.13, WamS). Sie sind Rationalisten durch und durch, die sich sehr stark an
Zahlen und Fakten orientieren und weniger am Bauchgefühl. Das könnte
tatsächlich ein Mittel gegen aufkommenden, erfolgsbedingten Größenwahn sein. So
lange jedenfalls, wie man Zahlen und Fakten nicht schönfärbt.
    Das Arbeitsumfeld der Chefs jedenfalls sollte dazu beitragen,
dass sie nicht abheben. Sie nutzen keine Vorrangschaltung im Aufzug, sie
kleiden sich nicht anders als ihre Mitarbeiter, sie sind mitten drin im
Zalando-Leben. Was auch nicht so schwierig ist. Denn die Standorte wie das alte
Umspannwerk in Prenzlauer Berg haben eher etwas von einem Uni-Campus als vom
Headquarter eines europaweit agierenden Unternehmens. Die Leute laufen herum,
wie sie gerne möchten. Es gibt nur einen Dresscode und der lautet: Es gibt
keinen Dresscode. Was Neueinsteiger oft kaum glauben wollen und deshalb in den
ersten Tagen schon mal im Sakko erscheinen. Aber danach nie wieder, weil hier
praktisch niemand Sakko trägt, abgesehen vielleicht von den Finanzleuten, die
mit Bankern oder anderen Geld-Menschen zu tun haben. Berlin und Zalando, diese
Kombination lockt junge Leute! Jeder hat ein Fähnchen seines Herkunftslandes
auf dem Schreibtisch, damit die anderen wissen, welche Sprache er oder sie
neben Englisch noch spricht. In den Fluren ist nahezu jeder denkbare Akzent des
Englischen zu vernehmen.
    Alle tragen, was junge Menschen halt so tragen. Und das ist
längst nicht bei Zalando bestellt, obwohl der 40-Prozent-Rabatt für Mitarbeiter
es der Konkurrenz schon schwer macht, Beschäftigte des Onlinegiganten als
Stammkunden zu gewonnen. Dennoch kaufen die Mitarbeiter hin und wieder fremd:
Jan Kemper etwa, der Finanzvorstand, kommt im blauen Sweatshirt mit dem
Elch-Logo von Abercrombie&Fitch, die Marke gibt es nicht bei Zalando, zum
Gespräch. Er antwortet ruhig auf Fragen, wartet, bis der Fragende zu Ende gesprochen
hat. Lässt sich auch von provokativen Fragen nicht aus der Ruhe bringen, genau
wie seine Geschäftsführer.
    Kemper hatte zuvor bei zwei Investmentbanken gearbeitet, bevor
er zu 2010 Zalando kam. Börsengänge, Kapitalerhöhungen,
Mergers&Akquisitions – das übliche Programm. Wer glaubt, bei Zalando vor
allem Berufsanfänger und Liebhaber schöner Schuhe zu finden, der irrt. In
Betriebswirtschaft

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