Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
einen Einstiegslohn von
7,80 Euro pro Stunde, während es in den Zalando-eigenen Logistikbetrieben nach
Firmenangaben 8,79 Euro gibt. »Wir bezahlen im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Wir verdienen ja noch kein Geld«, begründet Geschäftsführer Schröder. Dass
Docdata weniger zahlt als Zalando liege nicht an Zalando, sagt Schröder, das
Unternehmen kalkuliere für alle Standorte vergleichbare Personalkosten.
Schließlich erfüllten ja auch alle dieselben Aufgaben, eine Spezialisierung der
Standorte gebe es nicht.
Aber der bis 2015 laufende Vertrag, den sein Unternehmen vor
einigen Jahren mit dem Dienstleister gemacht hat, erlaube diese Unterschiede
bei der Bezahlung nun mal. »Es gibt diese Differenzierung nur bei der
Bezahlung, nicht bei den Arbeitsbedingungen«, versichert Schröder. Ob der
Dienstleistungsvertrag verlängert wird, will er nicht sagen.
»Wir sind der Ansicht, Logistik gehört zum Kerngeschäft eines
Onlinehändlers«, erklärt der Geschäftsführer. So sieht es auch Dieter Holzer,
Chef der Tom Tailor Group, die sowohl über Zalando als auch über eigene
Onlineshops und klassische Läden am Markt ist: »Die Steuerung der Supply Chain
sollte man ab einer gewissen Unternehmensgröße in der eigenen Hand halten. Die
Logistik gehört für einen großen Onlinehändler einfach zum Kerngeschäft,
jedenfalls für einen Pure Player.» Supply Chain ist der branchenübliche Begriff
für Lieferkette.
Zu den Unterschieden bei der Bezahlung an den
Zalando-Standorten will Magdalena lieber nichts sagen. »Arbeit ist o.k.«, meint
sie nur. Dass das Fernsehen die Arbeitsbedingungen in der Zalando-Logistik
heftig kritisiert hat – davon habe sie nichts gehört. Und nun müsse sie auch
weiterarbeiten, sagt sie und verschwindet. Hat sie wirklich noch nichts von dem
Film der ZDF-Reihe »Zoom« gehört, der hier am Drehort seit 2012 zumindest allen
Managern noch in den Knochen steckt?
Die Kritik war harsch, das Image von Zalando hat dadurch
gelitten. Über Nacht fand sich der fröhliche Newcomer im deutschen Handelsmarkt
in der Schmuddelecke der menschenverachtenden Arbeitgeber wieder. Viel zu heiß
sei es in der Halle, die Toilettencontainer seien unzumutbar, die Mitarbeiter
müssten während der gesamten Schicht stehen, zudem gebe es zu wenig Spinde und
vor allem keinen Betriebsrat, die Liste der Anschuldigungen im 30-Minuten-Film
war lang. »Wir mussten feststellen, dass manche der Vorwürfe wirklich
stimmten«, räumt Schröder ein. Viele Mängel seien sofort abgestellt worden.
Damit war den Leuten bei Zalando schlagartig klar geworden,
dass sie jetzt nicht mehr das Start-up-Unternehmen waren, für das man sich nur
am Rande interessierte, sondern eine Marke, die im Rampenlicht steht, und die
auf eine kritische, manchmal überkritische Öffentlichkeit nicht vorbereitet
war. Zumal das Unternehmen Tausende von Mitarbeiter beschäftigt, die Löhne
bekommen, von denen sich mancher fragt, wie man von ihnen leben kann. Und die
unter Bedingungen arbeiten, die nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig sind.
Den ganzen Tag lang unter künstlichem Licht Pakete zu packen oder auszupacken,
falls der Mitarbeiter in der Retourenabteilung gelandet ist, und durch die
Gegend fahren, ist von Selbstverwirklichung doch ein gutes Stück entfernt.
Nur wenige Monate nach dem ZDF-Film sah sich Zalando erneut,
zumindest am Rande, in der Kritik, nachdem die ARD eine Reportage über die
Behandlung von osteuropäischen Saisonarbeitern im Weihnachtsgeschäft 2012 in
der Amazon-Logistik gezeigt hatte. Es folgte öffentliche Empörung und ein
Shitstorm im Internet mit Ankündigungen von Amazon-Kunden wie »Dort bestelle
ich nicht mehr«. Mutmaßlich gingen – zumindest zeitweise – die Umsatzzahlen
zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel gar übte wenige Tage nach der
Ausstrahlung bei der Eröffnung der Messe CeBit in Hannover
diplomatisch-indirekt-kompliziert Kritik: »Begeistert von Amazon entdecken wir
plötzlich, dass, weil im Weihnachtsgeschäft viele Menschen mehr Bücher haben
wollen, die Arbeitsverhältnisse für diejenigen, die die Bücher verpacken
müssen, ganz andere geworden sind. Wir werden also lernen müssen, die
unentwegten Bedürfnisse der Individuen wieder mit sozialverträglichen
Arbeitsbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten zusammenzubringen.« Diese neue Art
der Wirtschaft, die »Shareconomy«, dürfe niemanden zurücklassen, forderte die
Kanzlerin in Hannover. (Redemanuskript von Bundeskanzlerin Merkel bei
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