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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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der
Eröffnungsveranstaltung der CeBIT 2013, 04.03.2013, Hannover)
    Und dann gelang es der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ab
Mai 2013 auch noch erstmals, Streiks in Amazon-Logistik-Standorten zu
organisieren. Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die Mitarbeiter in den
Versandfabriken des Onlinehändlers nicht nach den niedrigen, oft auf
Mindestlohn-Niveau liegenden Kriterien der Logistik, sondern nach den deutlich
besser dotierten Tarifen des Einzelhandels bezahlt werden müssen. Amazon steht
das selbstverständlich ganz anders.
    Bei Zalando wissen sie längst, dass Amazons Probleme auf dem
Minenfeld der Logistik und der Beschäftigungsverhältnisse schlechthin schnell
die eigenen werden können. Doch anders als der US-Konzern, der die TV-Kritik
vor allem abzuwiegeln versuchte und dem besonders heftig kritisierten
Sicherheitsdienst kündigte, der die Saisonkräfte katastrophal schlecht
behandelt haben soll, versucht es Zalando mit einer Politik der Öffnung.
Unmittelbar nach dem Amazon-Film bittet Zalando eine sehr kleine Gruppe
Journalisten zur Besichtigung seiner Logistikstandorte. Mit fast schon
rührender Detailgenauigkeit führen die Verantwortlichen vor, warum nach ihrer
Ansicht Zalando der bessere Logistik-Arbeitgeber sei und was sich an den
Standorten seit dem Zoom-Film schon verbessert habe: Gelenkschonende
»Bewegungsimpulsmatten« seien auf dem Betonboden verlegt worden, die
Raum-Temperatur werde ständig kontrolliert und es gebe kostenfreie Getränke für
alle Mitarbeiter sowie ein neues Abluftsystem für die Toiletten samt
Eingangs-Sichtschutz aus dem Baumarkt. Sogar mit einer gemeinschaftlichen
WC-Besichtigung sollte demonstriert werden, dass hier nun alles bestens sei.
Die Arbeitsbedingungen in Großbeeren waren nach dem ZDF-Film sogar Thema im
Landtag. »Eine Sonderprüfung des Landesamtes für Arbeitsschutz ergab keine
grundsätzlichen Beanstandungen» – das erwähnt Schröder gleich mehrfach.
    Nicht einmal mit der Gründung eines Betriebsrates hätte er
Probleme. Nur bisher habe es in der Logistik noch keinen Versuch gegeben, einen
ins Leben zu rufen. »Ich habe keine negative Einstellung gegenüber
Betriebsräten. In der Produktion für die Internetseiten haben wir ja auch schon
einen Betriebsrat«, sagt Schröder. Aber, und das muss er dann doch noch
loswerden: »Es ist unsere Aufgabe, die Mitarbeiter glücklich zu machen, aber
nicht die Gewerkschaft.« Einstweilen müssen zur Mitarbeiterbeglückung der
analoge Kummerkasten und die direkte E-Mail-Verbindung der Mitarbeiter zum Chef
vor Ort reichen. Und ein Busticket auf Firmenkosten samt Verlängerungen von
Buslinien zu den Standorten. In Erfurt ist die Bushaltestelle vor dem
Firmengelände sogar in Zalando-Orange angestrichen. Über den Spruch »Endstation
Zalando« kann man hier verständlicherweise aber nur bedingt lachen.
    Sie haben bei Zalando offenbar gerade noch rechtzeitig erkannt,
welche verheerenden Folgen für Image und Geschäft eine unsensible
Augen-zu-und-durch-Politik in der hochsensiblen Frage der Arbeitsbedingungen
haben könnte. Auf der Fahrt zwischen Standorten auf dieser
»Wir-sind-die-Guten-Tour« wird der Geschäftsführer, der mit kaum 30 Jahren die
Logistik für Europas größten Fashion-Onliner aufgebaut hat, selbstkritisch.
Offenbar hat er erkannt, dass der jugendliche Tatendrang der Führungscrew auch
seine Schattenseiten haben kann: »Es war ein großer Fehler, dass wir das Thema
Arbeitsbedingungen nicht früher angefasst haben. Wenn ich noch einmal eine
Firmen-Logistik von null aufbauen müsste, würde ich mich viel früher darum
kümmern.«
    Und dann versucht er zu erklären, warum es so kam, wie es kam:
In einem jungen, kleinen Unternehmen gebe es zunächst nämlich ganz andere
Sorgen: nämlich die schlichte Existenzsicherung. »Weil man immer weiß, dass das
Geld nur für ein paar Monate reicht. Darauf legt man den Fokus: Wie kommen wir
über die Runden?« Die Arbeitsbedingungen seien noch kein Thema, wenn man gerade
30 Leute beschäftige, die für die gemeinsame Aufgabe brennen. »Dann kann man
sich auch nicht vorstellen, dass man irgendwann 1000 Leute haben wird und dass
dann die Arbeitsbedingungen ein Thema sein werden. Das Unternehmen wächst und
wächst. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, vom kurzfristigen Überlebenskampf
der Frühzeit umzuschalten hin zur Schaffung von Bedingungen, mit denen man
Grundlagen für die nächsten Jahre legt? In der Bewegung ist es sehr schwierig,
das zu entscheiden.

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