Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
Vom Netzwerk:
Hinterher weiß man dann, dass man es früher hätte tun sollen.
Aber klar, das Wachstumstempo darf keine Ausrede sein«, sagt Schröder. Er will
nicht einmal widersprechen, wenn man sagt, dass dann ein solcher Anstoß von
außen wie jener Film wahrscheinlich gar nicht so schlecht gewesen sei.
    Und Verträge wie den mit dem Logistikdienstleiter würde er
heute auch wohl nicht mehr so ausgestalten, dass er den Mitarbeitern in
Großbeeren mit 7,50 Euro gerade den Mindestlohn zahlen darf, während die Leute
bei Zalando selber mindestens einen Euro mehr verdienen. »Der größte
Augenöffner war für mich, dass es nicht reicht, gute Arbeitsbedingungen in den
Vertrag mit einem Dienstleister hineinzuschreiben. Er arbeitet zwar im Namen
Zalandos, wir haben aber nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Mit dem Wissen von
heute würden wir sehr viel mehr Standards in einen solchen Vertrag schreiben,
als wir es 2010, zwei Jahre nach der Gründung des Unternehmens, getan hatten
und deren Einhaltung auch regelmäßig überprüfen«, versichert Schröder.
    »Es gibt Verbesserungsbedarf. Aber wir arbeiten daran. Und ich
denke, man kann deutlich Fortschritte von Standort zu Standort erkennen«, sagt
der Geschäftsführer. Aber alle Vorwürfe – auch die der Gewerkschaft ver.di
wegen der vielen befristeten Verträge – will er denn doch nicht auf sich sitzen
lassen. In der öffentlichen Diskussion sei vieles »verkürzt und undifferenziert
dargestellt«. Die Quote der unbefristet Beschäftigten in der Logistik sei
deshalb so niedrig, weil die Standorte noch so neu seien. Und in der Frühphase
könne Zalando das Risiko nicht auf sich nehmen, gleich jedem neuen Mitarbeiter
einen unbefristeten Vertrag zu geben. »Das wird sich aber im Laufe der Zeit
spürbar ändern, wenn die neuen Standorte zwei oder drei Jahre gut gelaufen
sind«, verspricht er.
    Bei Zalando gebe es zudem nicht diese Sondersituation mit dem
Bestellboom zu Weihnachten wie bei Amazon und damit auch nicht das Problem mit
den Leiharbeitern. Lastspitzen gebe es nur, wenn die Frühjahrs- und die
Winterware komme. Und dann lege der Anstieg der Bestellungen bei maximal 30
Prozent. »Nur für solche Spitzen beschäftigen wir Leiharbeiter, nur zehn
Prozent im Jahresmittel. Und wir legen großen Wert darauf, dass sie denselben
Lohn erhalten, den wir unseren eigenen Mitarbeitern zum Einstieg zahlen.« Und
dann sei das Ziel, möglichst viele der Leiharbeiter zur Stammbelegschaft
herüberzuziehen, nach spätestens sechs Monaten. »Länger darf man nicht
brauchen, um zu sehen, ob derjenige zu uns passt oder nicht.« Meistens bekämen
die Leute schon nach drei Monaten ein Angebot für einen Vertrag, wenn auch
zunächst für einen befristeten. »Nur eine gute Stammbelegschaft kann auf Dauer
die Leistungsfähigkeit garantieren, die wir in unserer Werbung versprechen.
Sonst sind die Kunden enttäuscht und bestellen nicht wieder bei uns«, sagt
Schröder.
    Mit 8,79 Euro pro Stunde verdienen aber auch die meisten
Mitarbeiter in Brieselang oder an Thüringens großem Logistikstandort Erfurt
nicht viel. Das müsse man relativ sehen: »In Erfurt zahlen wir mehr als viele
andere Logistikfirmen«, verteidigt sich Schröder und verweist auf die hohe Zahl
von Zalando-Mitarbeitern, die zuvor gar keinen Job hatten und von Hartz IV
lebten. Dass das Unternehmen ihnen eine Chance gebe, wieder in Arbeit zu
kommen, dürfe auch ruhig einmal gewürdigt werden.
    Tatsächlich sind es inzwischen weit mehr als 1700 frühere Hartz
IV-Empfänger, die – oft ohne Berufsausbildung – durch den Zalando-Job
finanziell wieder einigermaßen auf eigenen Füßen stehen. Ihre
Einarbeitungskurse bezahlen die Arbeitsagenturen. Um sich nicht dem Vorwurf
auszusetzen, die Allgemeinheit subventioniere auf diese Weise die
Zalando-Logistik, läuft die Job-Vorbereitung – zumeist über den TÜV – in
Trainingszentren, die nicht mit echten Bestellungen arbeiten. Für diese
Einarbeitung gibt es etwa in Erfurt einen kleinen Übungsbetrieb, der nicht in
der Produktionshalle untergebracht ist.
    In der richtigen Zalando-Welt gibt es anschließend, wenn die
Kandidaten übernommen wurden, für jeweils fünf Ex-Hartz-Bezieher einen
»Mentor«, der den früheren Langzeit-Arbeitslosen bei der Wiedereingliederung in
den Job-Alltag hilft. Über diese Schiene ist auch Detlef, 59 Jahre alt, zum Job
in Brieselang gekommen. Ihn suche ich mir heraus, er arbeitet abseits von der
Besuchergruppe an einem Regal. Was er da mache, möchte ich

Weitere Kostenlose Bücher