Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
– wenn
auch in einem relativ kleinem Großraum. Die der normalen Mitarbeiter gleichen
dagegen eher Turnhallen. Klassische Chefbüros mit Vorzimmer sind nicht
vorgesehen im deutschen Vorzeigeunternehmen der Web 2.0-Ökonomie. Und auch kein
»Sie«. »Nicci« duzt ihre Chefs wie eigentlich alle Kollegen. »Die lockere
Atmosphäre gefällt mir einfach.«
Fast alles hat Nicole Appel bei Zalando schon gemacht,
damit der Schuhverkauf ins Laufen kam. Die Umzüge organisiert, die Büros an die
Vermieter zurückgegeben, in der Frühphase Schreibtische und immer mehr
Schreibtische für immer mehr Mitarbeiter bei Ikea gekauft und am Anfang auch
noch aufgebaut. Bei den Recherchen für dieses Buch kamen die Geschäftsführer
bisweilen ins Schleudern, wenn es um Daten aus der ganz stürmischen Sturm- und
Drangphase des Unternehmens ging. Der Standardhinweis war stets: »Nicci fragen.
Die weiß das.« Heute organisiert die Berlinerin vor allem die Arbeitstage für
die drei »Jungs«.
Und das hat gar nichts mit Behördenalltag zu tun.
»Flexibel zu sein ist extrem wichtig bei Zalando, anders geht das hier gar
nicht.« Denn dauernd passiere etwas, das nicht geplant ist. »Wenn es dann mal
wieder heißt: Wir haben jetzt das Problem x oder y, dann müssen wir das ganz
schnell lösen. Und dafür kann man auch mal unsere mühsam aufgebauten Strukturen
ignorieren.« Sauer sei dann niemand, wenn es wirklich um die schnelle Lösung
des Problems geht. Ist halt ein Start-up, wenn auch im frühen
Erwachsenenstadium.
Anders als die Mitarbeiter in den anderen Großraumbüros
hat sie kein Fähnchen auf ihrem Schreibtisch stehen. Die Nationalflaggen
zeigen, woher jemand kommt und welche Sprache – außer Englisch oder Deutsch –
er oder sie spricht. »Das gefällt mir sehr. Wir brauchen Leute mit
Sprachkenntnissen. Wir sind ja in 14 Ländern aktiv.«
Die meisten von ihnen wissen gar nicht, dass sie
Mitarbeiterin Nummer eins ist – sie kamen ja auch alle nach ihr zu Zalando.
Deshalb kennt sie, anders als früher, längst nicht mehr alle sofort beim Namen.
»Ich gehe damit auch nicht hausieren. Ich bin nicht so ein extrovertierter
Typ.« Das hat die 28jährige mit ihren Chefs gemeinsam. Die drängeln sich ja
auch nicht gerade in jede Talk Show.
»Ich mag die Begeisterung, mit der die Geschäftsführer bei
der Arbeit sind. Das springt auf die Kollegen über.« Der Führungsstil? Da muss
Nicole kurz überlegen. »Sicherlich sehr Teamorientiert. Sie besprechen Ziele im
Team und dann werden die gemeinsam umgesetzt. Freundschaftlich kollegial kann
man das wahrscheinlich nennen.« Und fügt dann an: »Die leben das wirklich.« Und
wenn mal was danebengeht? Kann man dann brüllende Zalando-Chefs erleben? »Nein,
die brüllen nicht.«
Ins Detail will sie dann aber nicht gehen. Denn die
Vorzimmer-Loyalität gibt es auch bei Zalando. Selbst ohne klassisches
Vorzimmer.
Neues Ziel: Größter Online-Schuhhändler – das
wäre doch schon mal was
Entspannung war nicht angesagt. Denn jetzt sorgten die
Gründer und die frühen Geldgeber selber dafür, dass die Raumprobleme das
Unternehmen so zuverlässig verfolgen würden, wie der Wechsel von Farben, Styles
und Schnitten die Damenmode. Auch die Zentrale in der Zinnowitzer Straße würde
schon wieder zu eng werden.
Gerade ein Jahr nach der Gründung fragte sich das Team, wie es
weitergehen sollte. Die Frühjahrs- und Sommersaison 2009 war sehr gut gelaufen,
obwohl Zalando mit wenig Geld und sehr kleinem Team gearbeitet hatte. Sechs
Millionen Euro Umsatz würden am Ende des ersten kompletten Geschäftsjahres 2009
in der Bilanz stehen. Das Konzept schien also tatsächlich zu funktionieren und
Zukunft zu haben. Jetzt stand man am Scheideweg: »Die Frage war, ob wir ein
kleiner, überschaubarer Onlineshop mit wenigen Kollegen und überschaubaren
Ressourcen bleiben. Oder ob wir uns das Ziel setzten, der dominierende
Online-Schuhhändler in Deutschland oder vielleicht sogar Europa zu werden«,
sagt Gentz. Gleichzeitig gab es die Idee, im nächsten Entwicklungssprung des
Unternehmens auch Textilien zu verkaufen. »Wir hatten gemerkt, dass wir
eigentlich viel mehr machen könnten«, ergänzt Schneider. Dass er und Gentz,
dass die Samwers und Holtzbrinck Ventures sich für die Marktführer-Option
entschieden, die damals noch eher eine Vision war, konnte angesichts der
Besetzung des Beschlussgremiums nicht überraschen. »Die Investoren glaubten an
uns und wussten, dass sie zunächst viel Geld ins Unternehmen
Weitere Kostenlose Bücher