Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
Glücksschrei!
Kaum etwas symbolisiert das enorme Wachstumstempo von Zalando
vom ersten Tag bis heute so plastisch wie die Raumproblematik: Ständig und viel
schneller als erwartet wurden die Büros zu klein, weil wegen der rasant
steigenden Nachfrage so viele neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Die
Torstraße platzte schon im Frühjahr 2009 aus allen Nähten. Bis zum Sommer
allerdings hielten die damals 40 oder 50 Mitarbeiter – die wenigsten davon fest
angestellt – noch durch, bis endlich der erste von vielen Umzügen in ein
deutlich größeres Büro anstand.
Zuvor allerdings musste Mitarbeiterin Nummer eins, Nicole
Appel, das Kunststück fertig bringen, das Büro, von den Spuren erster Erfolge
befreit, an den Vermieter zurückzugeben. Das Problem: Die Wände des Kellers,
der als Lager gedient hatte, waren übersät von Zalando-Stempelabdrücken. Das
junge Team hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, bei jeder Bestellung vor
Freude einmal an die Wand zu stempeln. Am Anfang zehnmal am Tag, dann immer
häufiger. Dieses Wandbild beginnender Marktbedeutung galt es nun unsichtbar zu
machen, bevor der Vermieter das Büro abnahm. »Leider deckte die Farbe nicht richtig«,
erzählt die Assistentin der Geschäftsführung. Doch die Zeit drängte und so
wendete Appel den Trick an, den auch jede Studenten-WG beim Auszug versucht:
»Ich habe mich mit dem Vermieter am Abend verabredet, als es schon langsam
dunkel wurde. Da fiel es dann nicht auf, dass die Stempelabdrücke noch leicht
durchschimmerten.«
Währenddessen hatten die anderen Mitarbeiter bereits begonnen,
sich etwa 300 Meter weiter in die Zinnowitzer Straße einzurichten. Zunächst
bezog die Firma ein Stockwerk und das Dachgeschoss, anfangs etwa 400
Quadratmeter, »und dann sind wir im Gebäude gewachsen«, so Schneider. Bald kam
noch ein Haus schräg gegenüber dazu, doch das Wachstum sprengte weiterhin alle
(Raum-)Pläne. Neben der auch hier bald herrschenden Enge erinnern sich jene,
die damals dabei waren, noch an das Übermaß von Sonne und Wärme hinter den
riesigen Glasscheiben. Zwar war vor der Fensterfront ein textiler Sonnenschutz
angebracht, doch sobald Wind aufkam, rollte der sich zusammen. Und der Sommer
2009 soll in Berlin ein ebenso sonniger wie windiger gewesen sein. Der Anblick
des zweiten Zalando-Hauptquartiers muss schon ziemlich skurril gewesen sein,
und wie ein Rückgriff auf die Flip Flop-Kultur gewirkt haben: Um sich vor der
Helligkeit zu schützen, die die Schrift auf den Computerbildschirmen unlesbar
zu machen drohte, standen im Büro Sonnenschirme. Mitarbeiter saßen mit
Sonnenbrillen vor den Rechnern, die Füße in Eimern mit Eiswasser. Zalando –
arbeiten, wie andere Urlaub machen …
Die Büroeinrichtung kam weitgehend von Ikea. In den frühen
Tagen des Unternehmens schraubte Nicole Appel die Tische für die neuen Kollegen
noch selber zusammen. »Aber irgendwann wurden es zu viele. Die neuen Kollegen
mussten also selbst zum Inbusschlüssel greifen«, sagt die Berlinerin.
Jobs bei Zalando: Nicole Appel
Die Frau mit der Mitarbeiter-Nummer 1
28, Assistentin der Geschäftsführung
Die erste fest angestellte Mitarbeiterin von Zalando kam
aus einer anderen Welt. Aus einer Art kulturellem Gegenuniversum. Denn bevor
Nicole Appel ihren ersten Arbeitstag bei dem kaum von bewährten Strukturen
belasteten, oft vom Improvisieren lebenden, sich selber suchenden, aber
stürmisch wachsenden Start-up in der Berliner Torstraße absolvierte, war sie
Auszubildende bei der Deutschen Rentenversicherung in der Hauptstadt gewesen.
Einem Hort des geregelten Dienstablaufs. Doch irgendwie war das auf Dauer nicht
das Richtige für die blonde Berlinerin. Und so bewarb sich die gerade
ausgelernte Verwaltungsfachangestellte auf diese Onlineanzeige eines »jungen Start-up-Unternehmens
im Fashionbereich«, das eine Assistentin der Geschäftsführung suchte. »Das
Gespräch mit Robert und David war supernett und kurze Zeit später habe ich
angefangen«. Im September 2008 war das.
Zalandos Vollzeit-Mitarbeiterin Nummer eins war also eine
Frau aus einer Behörde. Man mag es kaum glauben, wenn man zum ersten Mal in
dieses wuselige Unternehmen kommt, das eher der Außenstelle einer Uni als einem
Amt ähnelt. In dem es die Hierarchien selbstverständlich gibt, sie aber nicht
gemäß hoheitlichem Dienstgradwesen nach außen getragen werden.
Man sieht es schon daran, dass Nicole Appel und ihre
Kolleginnen mit den drei Firmenchefs in einem Großraum zusammen sitzen
Weitere Kostenlose Bücher